Aufruf, vollständige Version


Aufruf zur Wende in der Frühbetreuung
von
Kindern

Arbeitsgruppe Frühbetreuung
i
n der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten Deutschland e.V. (VAKJP)

Stand 12.5.20

Angesichts des massiven Ausbaus der außerfamiliären (U3-) Betreuung in den letzten Jahren, einem damit verbundenen gesellschaftlichen Kontextwandel für das Aufwachsen in den ersten Lebensjahren und den daraus resultierenden psychischen, körperlichen und sozialen Auswirkungen auf die nachwachsenden Generationen, fordern wir rasch wirksame und fachlich fundierte Veränderungen der Rahmenbedingungen. 

Vorbemerkung

Der Aufruf wurde in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet und von Experten unterschiedlicher Fachgebiete unterstützt. Er befasst sich mit der Situation der Kitas, der Erzieher*innen, der Kinder unter 3 Jahren und ihrer Eltern sowie mit notwendigen Konsequenzen.

Die Corona-Pandemie aktualisierte die Forderungen des Aufrufs, weil sie die Probleme der unzureichenden Betreuung insbesondere der U3-Jährigen zuspitzte. Die monatelange Schließung der Kitas und die gleichzeitige Verpflichtung der Eltern, im Home-Office oder am Arbeitsplatz weiterhin tätig sein zu müssen, verschärfte die Überforderung und den Beziehungsstress in vielen Familien immens. Die Kinder, die in der „Notbetreuung“ untergebracht waren, wurden durch diverse Corona-Auflagen mit wechselnden Gruppenzusammensetzungen, vermehrtem Wechsel und  Ausfall von Personal, Masken- und Distanz-Geboten weiteren emotionalen Belastungen ausgesetzt.
So wurde unmittelbar sichtbar, dass Politik und Gesellschaft basale Entwicklungsvoraussetzungen für Kleinkinder wie emotionale Sicherheit und Halt sowie  Empathie und Kontinuität in verlässlichen Beziehungen ausblendet.

Die durchnummerierten Quellenangaben/Fußnoten finden Sie am Ende des Textes.

Die Situation der Kitas

Die einzigen zwei größer angelegten Studien, die es in den vergangenen Jahren über die Qualität in deutschen Kitas gibt offenbaren alarmierende Missstände:

Schon bevor der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab einem Jahr umgesetzt wurde, stellte die NUBBEK-Studie aus dem Jahr 2012 fest, dass lediglich 3,2% der Kitas für unter 3-Jährige einen guten bis sehr guten Qualitätsstandard aufwiesen.[1]

Zum Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) im März 2019 und im März 2020 wurden die sogenannten DKLK-Studien[2] veröffentlicht, zu denen jeweils 2.628 bzw. 2795 Kita-Leitungen aus ganz Deutschland zur Qualität ihrer Einrichtungen befragt wurden. Die Personalsituation in deutschen Kitas wird als dramatisch bezeichnet. Mehr als 90 % mussten in den vergangenen 12 Monaten zumindest zeitweise mit einer bedenklichen Personal-unterdeckung arbeiten, sodass die Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet war.

Die Ergebnisse der Studien zeigen weiter, dass ein Großteil der Erzieher*innen an ihrer Belastungsgrenze arbeiten. Fast 70% bezeichnen die Arbeitsbelastung als akut gesundheitsgefährdend (DKLK 2020). In dieser Situation verbringen Babys und Kleinkinder viel Zeit – häufig acht Stunden und mehr – in zu großen Gruppen mit häufig wechselnden Erzieher*innen.

Die Studien zeigen, dass die tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation bei unter 3-Jährigen in den letzten beiden Jahren bei weit über 90% schlechter war als die wissenschaftlich geforderte Zielgröße von 1:3. Insgesamt habe sich der Fachkräftemangel in der Frühpädagogik im letzten Jahr weiter verschärft.

In der Praxisrealität wird häufig der Begriff „Personalschlüssel“ verwendet. Dieser aber lässt außer Acht, dass mind. 1/3 der Arbeitszeit der Erzieher*innen nicht der unmittelbaren Beschäftigung mit dem Kind zu Gute kommt, sondern sich aufgrund von Krankheitszeiten, Urlaub, Fortbildungen, Elterngesprächen, Verwaltungsaufgaben, Dokumentation, Vor- und Nachbereitung, Teambesprechungen, Übergabe und Anleitung von Mitarbeiter*innen deutlich verringert. Daher bildet die Zahl auf dem Papier nicht die Wirklichkeit der realen Fachkraft-Kind-Relation ab.

Wissenschaftliche Studien zeigen: Eine feinfühlige, verlässliche Beziehung zwischen Erzieher*in und Kind ist der zentrale Faktor für eine gute Betreuungsqualität.

Aus entwicklungspsychologischen Gründen ist es daher notwendig, dass die Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 für Kinder unter 3 Jahren nicht überschritten und möglichst ohne Betreuerwechsel bei einer Gruppengröße von 6, höchstens 8 Kindern gewährleistet wird.[3]


Die Situation der Erzieher*innen

Die grundsätzliche Problematik des Fachkräftemangels wurde in den letzten Jahren vor allem durch die rasche Erweiterung der Krippenplätze, aber auch durch vergleichsweise geringe Bezahlung und anhaltenden Stress am Arbeitsplatz verursacht. Der hohe Krankenstand, die große Fluktuation und das häufige Aufgeben des Berufs sprechen für sich.

Bisher gibt es keine verlässliche Perspektive für eine Lösung des massiven Erzieher*innen-Mangels.

Nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) mit der TU Dortmund [4] wird es bis 2025, selbst ohne Qualitätsverbesserungen, voraussichtlich eine Personallücke von insgesamt fast 330 000 Erzieher*innen geben. Wenn Qualitätsverbesserungen eingerechnet werden, wäre es sogar eine Personallücke von insgesamt ca. 600 000 Erzieher*innen. Wörtlich heißt es in der Studie: „… Es wären fast genauso viele, wie es heute schon gibt (…) eine Größenordnung, die unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht wirklich vorstellbar ist.“

Die Wirkung des Gute-Kita-Gesetzes wird von den Kita-Leitungen als kritisch bewertet , weil oft falsche Prioritäten gesetzt würden. Für die Mehrheit ist das Gute-Kita-Gesetz nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“ (DKLK 2020).

Aufgrund des Personalmangels mussten u.a. 75% der Befragten im vergangenen Jahr auf Fort- und Weiterbildung verzichten.

Eine gute Qualität in Krippen hängt neben regelmäßigen, auch internen Weiterbildungen, hauptsächlich von einer verlässlichen, bedürfnisorientierten Begleitung der Kinder durch die Erzieher*innen ab. Unbenommen ihrer pädagogischen Kompetenz, wie der Fähigkeit zu Empathie, Geduld, Übersetzung der kindlichen Sprache, sind die Erzieher*innen auf Rahmenbedingungen angewiesen, die ihnen ermöglichen, sich sowohl auf einzelne Kinder als auch auf die Gruppe zu konzentrieren. Sie müssen Zeit und Raum haben, die Kinder kennenzulernen und sich ihnen individuell zuwenden zu können. Nur so sind sie fähig, die Stress-Signale des Kindes zu erkennen und diese möglichst zeitnah und angemessen zu regulieren. Dies ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum möglich.

Von außen ist die Qualität der pädagogischen Arbeit für Eltern nicht einfach zu beurteilen: z.B. ob das Kind als Persönlichkeit wahrgenommen und individuell auf seine Bedürfnisse und Emotionen eingegangen wird.

Die Situation der Kinder

Ein elementares, stabiles Selbstgefühl sowie die emotionale Sicherheit eines Menschen entsteht am Anfang des Lebens durch eine sichere Bindung an erwachsene Bezugspersonen.

Die damit verbundenen emotionalen Erfahrungen prägen im Kind intensiv und nachhaltig alle körperlichen und psychischen Systeme, wie z.B. die Fähigkeit zur Selbst- und Affektregulation, das Interesse an der Welt und die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und Dingen. Entwicklung, Lernen und Bildung können nur dann gelingen, wenn die Kleinsten der Gesellschaft emotional reguliert und ohne Stress ihre soziale, kulturelle und sachliche Umwelt erleben und erkunden können.

Die bedeutenden Entwicklungsschritte im zweiten Lebensjahr gehen gleichzeitig mit emotionaler Verunsicherung einher und brauchen weiterhin intensive Zuwendung und dyadischen Austausch mit erwachsenen Personen, die dem Kind vertraut sind und die das Kind gut kennen. Insbesondere die Umwandlung von primitiven körperlichen Stressreaktionen in Gefühle, die später gedanklich und sprachlich bewusst gesteuertes Verhalten ermöglichen, wird in dieser frühen Zeit im Umgang mit einfühlsamen und vertrauten Bezugspersonen gebahnt.

Eine sichere Bindung zu wenigen, verlässlichen und feinfühligen erwachsenen Bezugspersonen in den ersten drei Lebensjahren fördert:

  • Entstehung und Stabilisierung von Urvertrauen
  • Regulation der noch überwältigenden emotionalen Zustände
  • Entwicklung eines eigenen Gefühls- und Stressregulations-Systems
  • Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls
  • Entwicklung von nachhaltiger Autonomie mit Interesse an anderen Menschen, an den Dingen und an der Welt
  • Entwicklung von Empathie und Sozialkompetenz
  • die Chancen für Eltern, Erzieher und Lehrer, die Entwicklung der Kinder positiv zu begleiten (Erziehung und Bildung) [5]

Hinsichtlich des veränderten Aufwachsens in den ersten Lebensjahren in außerfamiliärer Gruppenbetreuung bleibt aus entwicklungspsychologischer Sicht ein Mangel, der in der neurobiologischen Besonderheit des Babys bzw. Kleinkindes und in der besonderen Beziehung von Eltern und Kind liegt. Die emotionalen Bedürfnisse, die u.a. zu Selbst- und Stressregulation sowie zu Empathiefähigkeit führen, lassen sich in einem Gruppenkontext auch mit großem materiellen und personellen Einsatz kaum befriedigen.

Der massive Erzieher*innen-Mangel in den Krippen verschärft diese Problematik noch. Unbenommen der Anregung durch Gleichaltrige können sich Babys und Kleinkinder gegenseitig noch nicht das notwendige Sicherheitsgefühl und die emotionale Stabilität geben, die eine erwachsene Bezugsperson in einer dyadischen Beziehung vermitteln kann.[6]

Durch einen zu frühen und zu lang andauernden Aufenthalt in einer Krippe sind die Unter-Dreijährigen anhaltendem frühkindlichen Stress ausgesetzt. Das sind die Ergebnisse der Neurobiologie und vieler Studien, die sich auf objektive Messungen des Stresshormons Cortisol[7] beziehen. Hinzu kommen die Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung, die auf die Problematik von (zu) früher Trennung hinweisen. Diese zählt zu einem der wichtigsten Stressoren in der frühen Kindheit und kann für das Kleinkind einen bedrohlichen Verlust der Lebenssicherheit bedeuten.[8]

Im Blick auf das gesamte Leben werden so ungünstige Stressverarbeitungsgrundlagen gelegt, die die körperliche und untrennbar verbunden, die psychische Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen können.

Uns Ärzte und Therapeuten beunruhigen zutiefst die grundsätzlichen Mängel in der öffentlichen Frühbetreuung, weil wir forschend und behandelnd Einblicke in Lebensanfänge und frühe Erfahrungen erhalten und die Wirkungen einer zu frühen, zu langen und unzureichenden außerfamiliären Betreuung kennen lernen mit den Risiken für eine stabile und gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Die Fähigkeit von Säuglingen und Kleinkindern zu enormen Anpassungsleistungen kann über die innerpsychische Problematik mit ihren möglichen späteren Folgen vorerst hinwegtäuschen.[9]

Unmittelbar können Verhaltensmuster beobachtet werden, wie anhaltende Trennungsängste, eine beschleunigte Autonomieentwicklung, Lockerung der Bindung gegenüber den Eltern, Distanzlosigkeit gegenüber Fremden, motorische Unruhe mit Aufmerksamkeitsdefiziten, impulsives Verhalten und Aggressivität, verminderte Konzentrationsfähigkeit, gesteigerte Ängstlichkeit und  depressives Rückzugsverhalten.[10]

Zu den Langzeitfolgen gehören z.B. eine erhöhte Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen, eine geringere Lebenszufriedenheit, sowie eine Reihe körperlicher Erkrankungen, die die Lebenserwartung einschränken können. Ausdrücklich möchten wir auf die psychischen, körperlichen und gesundheitlichen Langzeitfolgen und die damit verbundenen Kosten hinweisen.[11]

Wir wollen auch auf mögliche negative Veränderungen im gesellschaftlichen Sozialklima aufmerksam machen.[12]

Die Situation der Eltern

Die Sicherung der Existenz, die Gefahr ins berufliche und persönliche Abseits zu geraten, drohende Altersarmut besonders für Frauen, der gesellschaftliche Druck sowie die einseitige, meist unkritische Darstellung von Vorteilen einer frühkindlichen außerfamiliären Betreuung in den Medien und sozialen Netzwerken veranlassen Eltern, ihr Kind nach Ablauf des Elterngeldes bereits mit ca. einem Jahr oder auch früher in außerfamiliäre Betreuung zu geben. Für manche Kinder aus belasteten Lebensverhältnissen, mag diese Entscheidung vorteilhaft sein. Eine sinnvolle Unterstützung von Eltern und Kindern gelingt aber nur mit qualitativ gut ausgebildeten Betreuungskräften und entsprechenden Rahmenbedingungen.

Mit der Ankunft eines Kindes erleben Mütter und Väter eine radikale Wandlung ihres Lebens. Denn sie übernehmen von nun an die (Mit)Verantwortung für ein weiteres Leben. Diese Verantwortung kann als Belastung erlebt werden, ist aber gleichzeitig eine Entwicklungschance für die Eltern. Die damit verbundenen emotionalen und sozialen Prozesse benötigen ausreichend Zeit.

Die frühe und umfangreiche außerfamiliäre Betreuung schränkt die Möglichkeit für Eltern und Kinder, durch gemeinsame Erfahrungen zu lernen und miteinander vertraut zu werden sowie sich mit den natürlichen Problemen zu Beginn der Elternschaft auseinander zu setzen, bedenklich ein. Das behindert den Aufbau einer sicheren und stabilen Bindung zwischen Eltern und Kind. So beobachten Pädiater*innen, Kinderpsychotherapeut*innen, Erzieher*innen und Hebammen, dass die intuitive Fähigkeit der Eltern, Bedürfnisse kleiner Kinder zu erkennen sowie die Bereitschaft und Ausdauer sich zu engagieren, erheblich abnehmen[13].

Im Sinne einer nachhaltigen frühen Förderung für Kinder ist es deshalb sinnvoll, auch die Eltern-Kompetenzen zu stärken. Ein Beispiel dafür sind die seit vielen Jahren bestehenden staatlich geförderten Playcenter-Einrichtungen in Neuseeland und in Japan für Eltern und Kinder. In der Schweiz ist die entwicklungspsychologische Begleitung der Eltern traditionell, weit verbreitet und unentgeltlich.

In Deutschland könnten auch bereits vorhandene, wissenschaftlich gut fundierte und erprobte Angebote[14] in größerem Umfang gefördert werden.

Notwendige Konsequenzen In Kurzform

  • Beginn der außerfamiliären Betreuung möglichst erst ab 24. Lebensmonat für wenige Stunden am Tag.[15] Das könnte neben dem Entwicklungsaspekt auch eine zeitnahe Entspannung der derzeitigen Situation in Kita und Krippe bedeuten.
  • Verlängerung des vollen Elterngeldes oder eines angemessenen Grundgehalts auf mindestens 2 (besser 3) Jahre. (Man bedenke, dass ein Krippen-Platz derzeit ca.1300€ im Monat kostet – reine Betriebskosten[16] – also deutlich höher liegt als das durchschnittliche Elterngeld).
  • Finanzielle und soziale Anreize für Väter, die Versorgung und Erziehung der Kinder mit zu verantworten im Sinne eines neuen Rollenverständnisses.[17]
  • Entwicklungspsychologische Begleitung und Beratung von Müttern/Vätern zur Stärkung ihrer Elternkompetenz von der Schwangerschaft an (wie kostenlose Gruppenarbeit und individuelle Eltern-Kind-Angebote).
  • Flexible Arbeitszeiten von Arbeitgeberseite, wie Erleichterung von Teilzeitarbeit für Eltern und Home-Office-Arbeitsplätze bei gleichzeitigem Karriereschutz.
  • Leichterer Zugang zu praktischen Hilfen, wie Haushaltshilfen für Notsituationen und erziehungsbegleitende Familienhilfen.
  • Rahmenbedingungen in Kitas, welche die Grundbedürfnisse der Kinder berücksichtigen. Bei unter 3-Jährigen bedeutet das z.B. möglichst keine Betreuerwechsel, Gruppengröße von 6, höchstens 8 Kindern und einer realen ErzieherInnen-Kind-Relation von höchstens 1:3.
  • Verbesserte Arbeitsbedingungen für pädagogische Fachkräfte wie z.B. obligatorische, regelmäßige Fall- und Teamsupervisionen, begleitende Selbsterfahrung, Aufwertung sozialer Berufe u.a. durch bessere Bezahlung, sowie hochwertige Aus- und Fortbildung.
  • Ausweitung der Studiengänge für Frühpädagogik (bzw. entsprechende Weiterbildungen )und Familien- und Elternbildung. 

Förderung  psychophysiologischer  und sozialer Forschung in fachübergeifenden Forschungsprojekten über die Auswirkungen früher institutioneller Betreuung auf die Persönlichkeitsentwicklung, psycho-somatische Gesundheit und Stabilität in Stresssituationen.

Kontakte:

Dr. med. Agathe Israel, Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie/Kinder-u. Jugendpsychiatrie, Psychosomatische Medizin/Psychoanalytikerin DGPT/VAKJP; kontakt@fruehbetreuung.de

Gisela Geist, analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin, Stuttgart; VAKJP;
info@gute-erste-kinderjahre.de 

 

Quellenangaben und Fußnoten

  1. NUBBEK-Studie 2012, Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen KindheitFragestellungen und Ergebnisse im Überblick. W.Tietze, F.Becker-Stoll, J.Bensel, G.Haug-Schnabel et al.(Hrsg.)Siehe Seite 9, Schaubild 3
  2. DKLK-Studie 2019 und 2020Umfragen von Wolters Kluwer Deutschland in Kooperation mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE), dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), dem VBE Baden-Württemberg und dem VBE NRW. Wissenschaftliche Begleitung Prof. Dr. Ralf Haderlein, Hochschule Koblenz, Fachbereich Sozialwissenschaften. Erstveröffentlichung 27.03.19 und 05.03.2020 (die DKLK-Studie 2020 wurde als Quelle mit den oben genannten Ergebnissen nach der Zustimmung der Erstunterzeichner hinzugefügt)
  3. Beckh, Kathrin; Mayer, Daniela; Berkic, Julia/Becker-Stoll, Fabienne (2015): Ergebnisse der NUBBEK-Studie zu Qualitätsdimensionen in der Kindertagesbetreuung: Interpretation aus bindungstheoretischer Sicht, Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 2-2015, S. 183 – 201Böhm, Rainer (2013): Stress – Das unterschätzte Problem frühkindlicher Betreuung. In: Bildung braucht Bindung. 2013, Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen, Heft 83, S. 27-32.Brisch et al (2009): Verantwortung für Kinder unter drei Jahren. Empfehlungen der GAIMH zur Betreuung und Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern in Krippen. Zürich: GAIMH.Wichtig ist noch folgendes zu erwähnen: je länger die Öffnungszeiten einer Kita (was derzeit gefördert wird – bis zu 24h/Tag während 7 Tagen die Woche), desto mehr Betreuerwechseln ist ein Kind ausgesetzt.
  4. Rauschenbach, Schilling, Meiner-Teubner (2017): Plätze. Personal. Finanzen – der Kita-Ausbau geht weiter, Zukunftsszenarien zur Kindertages- und Grundschulbetreuung in Deutschland, Eigenverlag Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, Seite 28-30. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2017/rauschenbach_schilling_plaetze_personal_finanzen.pdfDer geplante Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grundschule wird den Erzieher*innenmangel zusätzlich enorm verschärfen.
    ↑ 
  5. hier einige Angaben von neuerer Literatur aus der Neurowissenschaft und psychologischen Forschung zur frühkindlichen Entwicklung:Bauer, Joachim (2019), Wie wir werden wer wir sind, Karl Blessing-Verlag;Bowlby, Richard (2007): Vortrag am 5.5.2007 an der Universität Frankfurt i.R. einer wissenschaftlichen Tagung des Familiennetzwerks (Link, siehe unter Fußpunkt 9)Hüther, G. (2006), Was Kinder brauchen – neue Erkenntnisse der Hirnforschung, DVD-Auditorium;Roth, G., Strüber, N. (2014), Wie das Gehirn die Seele macht, Klett-Cotta, Stuttgart;Strüber, N. (2016), Die erste Bindung, Klett-Cotta.
  6. Vgl. auch Datler, Wilfried; Hover-Reisner Nina; Datler, Margit (2015): Toddlers’ relationships to peers in the processes of separation: from the discussion of observational accounts to the development of theory, Infant Observation: International Journal of Infant Observation and Its Applications, 18:1, 14-35
  7. Stellvertretend für viele weitere Veröffentlichungen und Studien in diesem Bereich:Böhm, R., „Neurobiologische Aspekte der Kleinkindbetreuung“ in Dammasch, F., Teisig, M. (Hrsg.):“Das modernisierte Kind. “ auffindbar unter: www.fachportal-bildung-und-seelische-gesundheit.de unter BuchbeiträgeGunnar et al (2003): Morning-To-Afternoon Increases in cortisol concentrationes for infants and toddlers at child care: age differences and behavioral correlates. In: Child Dev. 2003 Jul-Aug;74(4):1006-20.“This study examined salivary cortisol, a stress-sensitive hypothalamic-pituitary-adrenocortical (HPA) axis hormone in 20 infants (12 females; M age = 10.8 months) and 35 toddlers (20 females; M age = 29.7 months) in full-day, center-based child care. Samples were taken at approximately 10:00 a.m. and 4:00 p.m. at child care and at home. At child care, 35% of infants and 71% of toddlers showed a rise in cortisol across the day; at home, 71% of infants and 64% of toddlers showed decreases“. Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12938695Sumner et al (2010): Young Children’s Full-Day Patterns of Cortisol Production on Child Care Days In: Arch Pediatr Adolesc Med. 2010 June ; 164(6): 567–571. doi:10.1001/archpediatrics.2010.85.
    Einrichtungen mit guter Qualität. Die Kinder waren zw. 16 u. 24 Monate alt. „Salivary cortisol samples obtained at wake-up, mid-morning, mid- afternoon and bedtime for children on 2 child care days and 2 non–child care days. Child care days were characterized by an afternoon increase in cortisol levels (unlike non–child care days) and decreases to bedtime values that were comparable with levels on non–child care days.“ Link: https://www.researchgate.net/publication/44656055_Young_Children’s_FullDay_Patterns_of_Cortisol_Production_on_Child_Care_Days

     

    Roisman, G.I. et al. (2009), Early Family and Child-Care Antecedents of Awakening Cortisol Levels in Adolescence. Child Development Volume 80, Number 3, Pages 907–920, University of Illinois at Urbana-Champaign.
    Hier wird die Langzeitwirkung der frühen Stressbelastung der ehemals früh und umfangreich betreuten Kinder bei 15-Jährigen nachgewiesen. Diese Jugendlichen hatten einen abgesenkten Cortisolwert am Morgen, was u.a. auf eine beeinträchtigte Stressregulationsfähigkeit hinweist.
    Link: https://www.jstor.org/stable/29738661?seq=1 – page_scan_tab_contents

    Sigman, A. (2011) “Mother Superior –The Biological Effects of Day Care”, The Biologist 2011 Vol 58 No 3 Link: http://www.sicherebindung.at/download/biologistmothersuperiorwithrefs.pdf (sehr gute Zusammenfassung)

    Vermeer, H.J., van IJzendoorn, M.H. (2006) Children’s elevated cortisol levels at daycare:
    A review and meta-analysis, Child & Family Studies and Data Theory, Leiden University, The Netherlands, in: Early Childhood Research Quarterly 21 390–401
    „We examined all papers on possible associations between cortisol levels and quality of care, and the influences of age, gender, and children’s temperament. Age appeared to be the most significant moderator of this relation. It was shown that the effect of daycare attendance on cortisol excretion was especially notable in children younger than 36 months.“ Link: http://opvoeding-wetenschap.nl/wp-content/uploads/2017/03/Vermeer-Van-IJzendoorn-2006.-Early-Childhood-Research-Quarterlu.-Cortisol-daycar-meta-analysis.pdf (es wurden 9 Cortisol-Studien von Kindern in “Day Care“ untersucht)

    WiKi-Studie/Wiener Krippenstudie (2007-2012): 104 Kinder in 71 unterschiedlichen Einrichtungen wurden beobachtet. Bindungsverhalten, Temperament der Kinder und der Mütter wurden berücksichtigt sowie Cortisolwerte und die Qualität der Einrichtungen. Leitung: Winfried Datler vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Studienautorin: Tina Eckstein, Co-Leitung: Lieselotte Ahnert. Bisher wurden Teilergebnisse veröffentlicht, auf die wir zurückgreifen:

    Kinder im Alter unter 3 Jahren zeigen nach fünf Monaten qualitativ guter bis durchschnittlicher Krippenbetreuung stark abgeflachte Cortisol-Tagesprofile als Zeichen einer Erschöpfungsreaktion (Dr. Rainer Böhm, „Die dunkle Seite der Kindheit“ unter: www.fachportal-bildung-und-seelische-gesundheit.de).

    Kinder unter 2 Jahren zeigten solch eine Reaktion als Folge der zu hohen Stressbelastung schon nach der Hälfte der Zeit, Zitat: „Bereits zehn Wochen nach Krippeneintritt zeigten Kinder, die jünger als zwei Jahre alt waren eine verminderte Stressreaktivität (…) Mit fortschreitender Krippenbetreuung sinkt der morgendliche Cortisolwert, die Tagesprofile werden flacher, die Stressverarbeitung wird ungünstiger“, resümierte Tina Eckstein von der Uni Wien. (Stuttgarter-Zeitung.de Wissenschaft, 04.10.2010) und (ähnlich auch im Welt Artikel 10.10.2011, Krippenbetreuung bedeutet für Kleinkinder Stress).

    Ergänzend zur WiKi- sei die Berliner Studie von 2004 genannt: Hier wurden 70 Kinder im Alter von durchschn. 15 Monaten untersucht. Nach der Eigewöhnungs- bzw. Adaptionsphase in Begleitung der Mutter wurden während der ersten Stunde in der Trennungsphase (also ohne die Mutter) die Cortisolwerte der Kinder gemessen. Alle Kinder hatten um 75-100% höhere Cortisolwerte als zu Hause. Es wurde u.a. festgestellt, dass eine gute Bindung zu ihren Müttern vor Eintritt in die Krippe das Ansteigen der Cortisol-Level nicht abfedern kann und dass man bei sicher gebundenen Kindern den Stress eher am Verhalten erkennen kann als bei den unsicher gebundenen.
    (Ahnert, L., Gunnar, M., Lamb, M. E., & Barthel, M. (2004). Transition to child care: Associations of infant-mother attachment, infant negative emotion and cortisol elevations. Child Development, 75, 639–650.)

  8. Siehe z.B. :Becker-Stoll, Fabienne (2018): „Die Trennung eines Kindes von seinen Eltern gilt als der wichtigste Stressor in der frühen Kindheit. (…) Auch Kleinkinder (z. B. Zweijährige), die behutsam in eine Kinderkrippe an eine feste Bezugsperson eingewöhnt wurden, zeigen noch mehrere Monate nach der Eingewöhnung erhöhte physiologische Stresswerte (gemessen über das Cortisol) im Vergleich zu Gleichaltrigen, die keine Kinderkrippe besuchen.“ In: Bindung, Lösung, Abbruch. Gesprächspsychotherapie und Personenzentrierte Beratung 3/2018, S. 127 – 131.Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (2007): Krippenausbau in Deutschland – Psychoanalytiker nehmen Stellung. Memorandum der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) vom 12.12.2007 https://www.dpv-psa.de/fileadmin/downloads/Archiv/Dokumente/Memorandum%20Krippenaufbau%20DPV%2012%2012%2007.pdf : „Plötzliche oder zu lange Trennungen von den Eltern bedeuten in der frühen Kindheit einen bedrohlichen Verlust der Lebenssicherheit, auch weil Sprach- und Zeitverständnis des Kindes noch nicht weit genug entwickelt sind, um Verwirrung oder Angst mit Erklärungen zu mildern. Eine Trennung von den Eltern, die nicht durch ausreichend lange Übergangs- und Eingewöhnungsphasen vorbereitet wird, kann vom Kind als innerseelische Katastrophe erlebt werden, die seine Bewältigungsmöglichkeiten überfordert. An der kindlichen Reaktion auf die Trennung – zum Beispiel verzweifeltes Weinen, anhaltendes Schreien oder später auch resigniertes Verstummen, Schlaf- und Ernährungsstörungen – kann man eine seelische Überforderung erkennen (…)“ (S. 2)
  9. Siehe auch Bowlby, Richard (2007): Vortrag am 5.5.2007 an der Universität Frankfurt i.R. einer wissenschaftlichen Tagung des Familiennetzwerks: „Es gibt eine weite Spannbreite von instinktiven und erlernten Dissoziativ-Verhaltensweisen, die Babys und Kleinkinder übernehmen, wenn sie nicht in der Lage sind, die Nähe einer Bezugsperson zu erreichen. Manche Babys scheinen äußerlich von Trennungserlebnissen nicht beeinflusst zu werden, obwohl auch sie sich innerlich dissoziiert haben. Andere können überschäumend oder aggressiv reagieren. Einige Kinder bleiben weiter aktiv, aber sie wirken doch auch gedämpft oder zurückgezogen. Manche beschäftigen sich ruhig alleine und scheinen sehr anspruchslos und unproblematisch zu sein. Wieder andere können übermäßig quengelig und wieder andere vor allem übermäßig gehorsam und ungewöhnlich kooperativ sein(…)
    Es ist daher sehr wichtig, zwischen konzentriertem und erkundungsfreudigen Spiel und dissoziativem Ausgleichsverhalten zu unterscheiden. Der chronische Stress wiederholter Trennungen kann sich in subtilenVerhaltens- und Gemütsveränderungen äußern, die sehr leicht missverstanden und fehlinterpretiert werden, man könnte dann fälschlicherweise auf die Idee kommen, dass sich die Kinder „an die Situation gewöhnt“ hätten. Allerdings bleibt Cortisolspiegel in ihrem Speichel erhöht (…).“ auffindbar unter: https://fuerkinder.org/wp-content/uploads/2019/09/Bowlby-Richard-Die-Bindungsbed%C3%BCrfnisse-von-Babies-und-Kleinkindern-in-Fremdbetreuung.pdf
  10. So hat z.B. eine Studie von 2018 festgestellt, dass im Rahmen des Ausbaus der Ganztagsplätze in deutschen Kitas (hier: Schleswig Holstein) auch der Anteil der Kinder gestiegen ist, die bei der Schuleingangsuntersuchung sozial-emotionale Auffälligkeiten im oben genannten Sinne aufwiesen. Siehe Zierow, Larissa; Felfea, Christina (2018): From dawn till dusk: Implications of full-day care for children’s development. In: Labour Economics, Volume 55, December 2018, S. 259-281.Weitere Quellen:
    Auch internationale Studien stellen übereinstimmend fest:
    Je mehr gruppenbezogene externe Kindertagesstätten-Betreuung Kinder zwischen 0 und 4 bzw. 7 Jahren erlebt hatten, desto stärker zeigte sich der Anstieg von Problemen in den oben genannten Bereichen.

     

    Stellvertretend für weitere werden folgende Studien genannt:

    Averdijk, Margit; Besemer Sytske; Eisner, Manuel; Bijleveld, Catrien; Ribeaud, Denis (2011): The relationship between quantity, type, and timing of external childcare and child problem behaviour in Switzerland, In: EUROPEAN JOURNAL OF DEVELOPMENTAL PSYCHOLOGY 2011, 8 (6), 637–660. Zurich, University of Cambridge, University Amsterdam.Belsky, J.: Developmental risks (still) associated with early child care. Journal of Child Psychology and Psychiatry 2001, 42, S. 845-859

    Belsky, J.: Quantity counts: Amount of child care and children’s socioemotional development. Developmental and Behavioral Pediatrics 2002, 23, S. 167-170

    Belsky, J./Vandell, D.L./Burchinal, M./Clarke-Stewart, K.A./McCartney, K./Owen, M.T: Are there long-term effects of early child care? Child Development 2007, 78, S. 681-701.

  11. Vgl. Baker, Michael et al (2019): The Long-Run Impacts of a Universal Child Care Program In: American Economic Journal: Economic Policy 2019, 11(3): 1–26 , ein zentrales Ergebnis: „We find that the negative effects on noncognitive outcomes persisted to school ages, and also that cohorts with increased child care access had worse health, lower life satisfaction, and higher crime rates later in life“ „Quebec-Studie“Baker, Michael; Gruber, Jonathan; Milligan, Kevin (2008): Universal Childcare, Maternal Labor Supply, and Family Well-Being. In: Journal of Political Economy, Vol. 116, No. 4 (August 2008, S. 709-745) „Quebec-Studie“Vandell, D. L., Belsky, J., Burchinal, M., Steinberg, L., Vandergrift, N., NICHD Early Child Care Research Network (2010): Do Effects of Early Child Care Extend to Age 15 Years? Results From the NICHD Study of Early Child Care and Youth Development. Child Development, Vol. 81, Nr. 3, p. 737-756.Zusammenfassend für den Zusammenhang zwischen psycho-sozialen Belastungen in der Kindheit und Langzeitfolgen:Egle, U. Franz, M.; Joraschky, P., Lampe, A., Seiffge-Krenke, I., Cierpka, M.: Gesundheitliche Langzeitfolgen psychosozialer Belastungen in der Kindheit – ein Update, Bundesgesundheitsblatt 2016 · 59:1247–1254 Online publiziert: 31. August 2016, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016.
  12. Es deuten Befunde und unsere Erfahrungen darauf hin, dass die Verbindlichkeit von Beziehungen in Partnerschaft und am Arbeitsplatz abnimmt. Kontakt und Austausch werden abgelöst durch materielle Dinge, deren Verfügbarkeit sich kontrollieren lassen. Narzisstische Tendenzen, wie der Wunsch nach Bestätigung, großen Effekten und Bewunderung nimmt zu, da es an früher, positiver affektiver Spiegelung mangelte und so die gesunde Selbstliebe nicht ausreichend befriedigt wurde. Weil gesunde Selbstliebe Mitgefühl und Fürsorge für andere impliziert, müssen wir mit einer abnehmenden  Bereitschaft rechnen, sich anderen rücksichtsvoll und hilfsbereit zuzuwenden. Das Sozialklima wird „rauher“ und „kälter“.Folgende Arbeiten befassen sich mit Veränderungen im Sozialklima:
    Behnke, Burghardt: Der sich beschleunigende Kreislauf zwischen Kleinkindsozialisation in Kinderkrippen und gegenwärtigen Tendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft, 2006, Zeitschrift Psyche März 2006 S. 237-252;
    Ederer, Günther: Was kommt, wenn die Familie geht ? 2013;

     

    Böhm, Rainer: Der soziale Klimawandel in „Rubikon“ 23.08.2018 unter:https://www.fachportal-bildung-und-seelische-gesundheit.de/der-soziale-klimawandel_Boehm_RUBIKON_2018.pdf

    Die schwedische Ärztin, Neurobiologin und Professorin an der Universität Göteborg, Annica Dahlström und ihr Mitstreiter Christian Sörlie sprechen in warnenden Artikeln von einer schwedischen Familienpolitik, die die Kinder psychisch krank macht.
    Im Portal der Göteborgs Posten erschien 2011 ein Artikel, in dem beide Forscher einen Zusammenhang zwischen der frühen Fremdbetreuung und  immer häufiger auftretenden Erkrankungren der Kinder feststellen. Sie bezeichnen die frühe Fremdbetreuung als reines Eigeninteresse der Erwachsenen mit Folgen für die  Persönlichkeitsentwicklung.

    Ähnliche Schlußfolgerungen : Sörlie, Christian: Der schwedische Fall, 2012 ; Rusanen, Erja: 40 Jahre frühkindliche Bildung in Finnland- eine kritische Auseinandersetzung, 2012 ;  Gustafsson, Christian: Wie Tagesstätten eine Nation zerstören können, Zeitschrift für Human Life International Nr. 4, 2001;

  13. Auch internationale Studien stellen fest, dass eine zu frühe und lange institutionelle Betreuung mit vermehrten Problemen in der Eltern-Kind-Beziehung einhergeht.

    Baker et al. stellt eine Verschlechterung aller Eltern-Kind-Interaktionsparameter fest: u.a. Zunahme feindseliger und inkonsistenter Erziehung, Abnahme elterlicher Feinfühligkeit, schlechtere elterliche psychische Gesundheit.Baker, Michael et al (2019): The Long-Run Impacts of a Universal Child Care Program In: American Economic Journal: Economic Policy 2019, 11(3): 1–26),Baker, Michael; Gruber, Jonathan; Milligan, Kevin (2008): Universal Childcare, Maternal Labor Supply, and Family Well-Being. In: Journal of Political Economy, Vol. 116, No. 4 (August 2008, S. 709-745, „Quebec-Studie“
  14. Beispielhaft für weitere, bereits vorhandene Ansätze:SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern. Ein Trainingsprogramm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind von K.H. Brisch, www.safe-programm.deStepp Elterntraining zur Verbesserung der ErziehungskompetenzDas Neufeld Institut, Training und Seminare für Eltern.Elternworkshops nach H.-J. Maaz (Stiftung Beziehungskultur)STEEP-Programm Die Stärkung der Eltern-Kind-Bindung. Erickson, M.F. & Egeland, B. (2009), Klett-Cotta.

    „Empowerment
    „, Programm in der frühen Erziehung und Bildung im Bereich niedrigschwelliger Elternarbeit

     

    SKEPT – Psychoanalytische Säuglings-Kleinkind-Elternpsychotherapie. Konzepte-Leitlinien-Manual. Manfred Cierpka/Eberhard Windaus (Hrsg.) (1.Aufl. 2007) Brandes&Apsel

    EEH
    – Emotionelle Erste Hilfe. Bindungsförderung – Krisenintervention – Eltern-Baby-Therapie, Thomas Harms

    ESKP– Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie

    SKKIPPI – Evaluation der Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie mittels Prävalenz- und Interventionsstudien – G-BA Innovationsfonds

    wir2 – ein bindungsorientiertes Elterntraining für psychosozial belastete Alleinerziehende (www.wir2-bindungstraining.de; Matthias Franz 2014, Walter Blüchert Stiftung)

    Entwicklungspsychologische Beratung nach dem Ulmer Modell, präventives Psychoterapeutisches Präventionsprogramm für Frühgeborene sowie

    Gruppenangebote
    für Familien mit Babys und kleinen Kindern in lokalen und kommunalen Netzwerken in einzelnen Bundesländern.

    Auch an die Krippenstruktur könnte eine niederschwellige Begleitung der Familien angebunden werden. Es soll ein Lernprozess entlang von Alltagssituationen bei den Eltern angestoßen werden, um Ihre Fähigkeiten im Beobachten, Fühlen, Entscheiden, besonnenen Handeln und Konflikt-lösen zu entwickeln (lernen durch Erfahrung).

  15. siehe auch die Bielefelder Empfehlungen: „Folgende Alters- und Mengenbegrenzungen werden empfohlen:
    keine Gruppentagesbetreuung bei unter-2-Jährigen, zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag maximal halbtägige Gruppentagesbetreuung (bis 20 Std. / Woche)“ Aus: Böhm, Rainer (2013): Stress – Das unterschätzte Problem frühkindlicher Betreuung. In: Bildung braucht Bindung. 2013, Heft 83, S. 27-32.

     

    Laewen, Hans-Joachim: „Zur Besonderheit der „besonderen Beziehung“, die wir Bindung nennen.“ In: Infans.Zitat: „Der Stand der Kenntnisse lässt deshalb erwarten, dass Kinder, die bis zu vier Stunden in Kindertageseinrichtungen betreut werden, kaum gefährdet sein dürften. Die über diese Grenze hinaus in Kitas verbrachte Zeit scheint jedoch insbesondere für unter dreijährige Kinder mit Risiken verbunden zu sein.“ (S.4)Auffindbar unter: https://infans.de/wp-content/uploads/Bindung-vs-Beziehung.pdf

  16. berechnet auf Grundlage einer Beispielrechnung einer Kinderkrippe in Kooperation von Kommune und Wirtschaft des DGB 2004 (Man könnte an dieser Stelle auch annähernd berechnen, inwiefern die Steuereinnahmen zweier vollzeitarbeitender Eltern und ErzieherInnen, die Krippenausgaben wiederrum aufwiegen. Allerdings müsste man in diesem Fall auch Langzeitstudien durchführen und prüfen, inwieweit ggf. die frühe erhöhte Stressbelastung krippenbetreuter Kleinkinder zu Folgekosten führt, siehe auch Fußnote 11, Egle et al.
  17. In der Vaterforschung  wurde das Defizit-Paradigma -den Vater im Vergleich zur Mutter als nachrangige Bezugsperson zu verstehen- abgelöst und die Vater-Kind- Beziehung als sozialisatorisch wirksam einbezogen, die für ein Kind hochrelevant ist, z.B. für seine Identitätsentwicklung, für unterschiedliche Kommunikationsstile und die Ausbildung und Regulation von positiven und negativen Emotionen.Siehe Beiträge in: Walter, Heinz (HG): Männer als Väter. Sozialwissenschaftliche Theorie und Empirie, Psychosozial-Verlag, 2002 Gießen, wie: Kreppner, Kurt: Väter in ihren Familien, Differentielle Aspekte für die Sozialisation oder: Kindler, Heinz; Großmann, Karin; Zimmermann, Peter: Kind-Vater-Bindungsbeziehungen und Väter als Bildungspersonen. Steinhardt K, Datler W, Gstach J (HG): Die Bedeutung des Vaters in der frühen Kindheit, Tagungsband der 6. GAIMH-Jahrestagung (2000 Wien) : Psychosozial-Verlag 2002.


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07.02.2021: Aktualisierung der Corona-Vorbemerkung