Bedürfnisorientierte Tagespflege

Meine Grundsätze und Rahmenbedingungen

Ich bin seit 2017 Tagesmutter. Mein Anliegen war es ursprünglich, meinen eigenen kleinen Enkelkindern die Kita unter 3 Jahren (U3) zu ersparen. Da mein Ehemann mich mitfinanziert, kann ich die Rahmenbedingungen als Selbstständige so gestalten, dass ich einig gehen kann mit meinem Anliegen, eine individuelle, bedürfnisgerechte Betreuung für die unter Dreijährigen zur Entlastung der Eltern anzubieten – so mehr im Sinne einer Großelternfunktion). 

Wenn ich die primäre Bezugsperson des Kindes meine, benutze ich im Text „Mutter“.

Betreuungszeiten:

Ich betreue zu Beginn nur an zwei Tagen pro Woche in einem möglichen Zeitrahmen von 8 bis 18 Uhr, im ersten halben Jahr vorrangig am Vormittag bzw. incl. Mittagsschlaf nach Eingewöhnung. 

Eingewöhnung:
Die Eingewöhnung verläuft ganz nach den persönlichen Bedürfnissen, bis ein Kind sich gut vor der Mutter ablösen und eine gute Beziehung zu mir aufnehmen kann.

Panische Kinder im Entzug zu betreuen, wäre für mich seelische Gewalt! Wenn ich merke, dass ein Kind leidet – wenn es z.B. weinend an unserer Wohnungstür steht, dann rufe ich sofort die Mutter an und bitte sie, ihr Kind abzuholen. Das kommt zum Glück selten vor. Resignierte Kinder könnte ich ebenso wenig mit gutem Gewissen  betreuen.

2 bis 3  anstatt 5 Betreuungs-Kinder:

Mir ist eine individuelle, feinfühlige und verlässliche  Betreuung der Kleinsten ein Herzensanliegen, daher betreue ich i.d.R. 1- 2 Kleinkinder (U3) gleichzeitig. Ü3 Kinder kommen vereinzelt dazu; z.B. meine inzwischen größeren Enkelkinder oder Geschwisterkinder – oder auch ältere Tageskinder, die noch keinen Kindergartenplatz haben…

In der Regel kommen bis zu 5 Kinder auf eine Tagesmutter mit einer Betreuungszeit von 6, meist aber 8 bis 10 Stunden pro Tag.  Damit ein(e) Tagesmutter/vater einigermaßen davon leben kann, ist sie (er) auf solche Rahmenbedingungen angewiesen.

Aufnahme ab welchem Alter?

Das Recht auf Kindertagespflege steht zwar ab dem 1. Geburtstag (oder sogar früher) den Familien zu, was heißt, dass das Jugendamt bis zum Kindergarteneintritt die Kosten weitgehend übernimmt. 

Doch das ca. einjährige Kind ist in einer besonders sensiblen Bindungsphase zur Mutter, während es sich vorsichtig (indem es sich möglichst jederzeit bei ihr rückversichern darf) von ihr abzulösen beginnt. Dieser Prozess sollte nicht unterbrochen werden, da er eine der Voraussetzungen ist für eine nachhaltige, gesunde Autonomieentwicklung. Außerdem ist wegen der noch nicht erworbenen „Objektpermanenz“ die Trennung von der Mutter für ein 12 Monate altes Kind höchst schmerzhaft bis traumatisierend, was besonders bei den sensiblen Kindern nachhaltige Trennungsängste auslösen kann. Mit ca. 18 Monaten hat das Kleinkind die Mutter meist so weit verinnerlicht, dass es die Trennung besser überbrücken und eine Ahnung davon haben kann, dass es von seiner Mama bald wieder abgeholt wird.

Ich nehme an, dass ich mit intensiver und liebevoller Zuwendung den Trennungsschmerz ab diesem Alter einigermaßen gut ausgleichen kann, was mir die begrenzte Betreuungszeit und mein sehr kleiner Betreuungs-Schlüssel ermöglichen. Ein Kind im Stress muss als Stressbegleitung jederzeit auf meinem Schoß Platz finden können.

Fazit:
Diese Rahmenbedingungen ermöglichen mir eine individuelle, liebevolle, einfühlsame Beziehung zu jedem Kind mit der nötigen Ruhe, Gelassenheit und Freude an den Kindern und an meiner Arbeit. 

Auch können so die Eltern die wichtigsten Bindungspersonen für die Kinder bleiben. 

In regelmäßigen Erziehungsgesprächen, in welchen wir uns über die Kinder austauschen und möglichst offen und konstruktiv um gemeinsame Werte und Strategien ringen,unterstütze ich sie in ihrer Erziehung und vor allem in einer guten, verständnisvollen Beziehung zu ihren Kindern.

Einblicke in meine tägliche Arbeit

Die Kinder werden nach der oben beschriebenen sanften, bedarfsgemäßen Eingewöhnung morgens i.d.R. mit öffentlichen Verkehrsmitteln von mir bei ihnen zuhause abgeholt. So fällt die Trennung leichter: Rausgehen, Baustelle Beobachten, Bahn Fahren usw. Unterwegs sind meine in der Regel 2 Kinder völlig auf mich bezogen. Es gibt ständigen verbalen Austausch. Jede mir von den Kindern mitgeteilte Entdeckung bestätige und begleite ich, sei es sprachlich, mimisch, über Fingerzeige, Silben etc., alles mit Augenkontakt. Besonders Regenwürmer haben es den Kleinen oft angetan oder Flugzeuge am Himmel! Ich versuche an allem Anteil zu nehmen. Auch wenn das nicht bedeutet, dass ich alle Wünsche erfülle. Das ist ganz nebenbei emotionale und sprachlich Förderung. 

Das gemeinsame Unterwegs-Sein ist geeignet, manche Träne zu trocknen, die doch auch immer wieder mal fließt beim Abschied. Auch kann ich die Kinder jederzeit auf den Arm nehmen, wenn eine Unsicherheit oder Krise aufkommen sollte. 
Zuhause angekommen wird nachgespielt, verinnerlicht und kreativ verarbeitet, was erlebt und beobachtet wurde. 

5 Kindern gleichzeitig könnte ich diese Aufmerksamkeit, körperliche Verfügbarkeit und emotionale Sicherheit niemals geben. In meiner Qualifizierungszeit bekam ich von einer Kollegin in der Großtagespflege den Rat/die Warnung: „Nimm bloß kein Kind auf den Arm. Du kannst nicht fünf Kinder auf den Arm nehmen!“ 

Je nach Bedürfnis sind meine 2 Kinder teilweise lange auf meinem Schoß. Das trifft besonders bei den sensiblen und solch „verwetterten“ Kindern zu, die morgens schon Handy oder Tablet konsumieren „durften“. Sie brauchen besonders viel haltend-beruhigenden Körperkontakt. Dieses Thema kann dann in einem Gespräch mit den Eltern ausführlich besprochen werden. 

Bei müden, überreizten Kindern braucht es Stunden der intensiven Zuwendung, v.a. durch Körperkontakt, bis das Kind wieder Freude entwickeln kann im Hier und Jetzt, so dass es zur Ruhe und ins Spielen finden kann. Wenn sie nicht auf dem Arm oder Schoß sind, spielen die Kleinen mehr oder weniger intensiv, versunken in sich selbst; oder die Größeren auch schon etwas miteinander. 

Wir sind eine kleine, vertraute Gruppe, die aufeinander bezogen ist und sich aneinander freut.

Bei den Kita Kindern unter 3 Jahren, die wir unterwegs treffen, beobachte ich selten intensives Spielen und ausreichend zugewandten Körperkontakt oder Trost von Seiten der BetreuerInnen. Die Kleinen sind auf dem Spielplatz eher frei flottierend unterwegs. Kaum geschieht liebevolle Interaktion zwischen den Erwachsenen und den Kindern. Stattdessen gibt es viele Anweisungen, was zu tun und lassen ist. Die Kleinen sind weitgehend sich selbst überlassen, oft auch bei Konflikten, die sie unter sich mangels emotionaler Regulierungsfähigkeit noch nicht konstruktiv lösen können. Unterwegs laufen sie brav am Gurt oder sitzen stumm und unbeweglich im großen Kinderwagen.

Auch bei uns kommen Konflikte auf, und es können „kleine Unfälle“ passieren. Bei den multiplen Gefühlsausbrüchen bin ich immer auf Abruf da, um Hilfestellung, Trost und Lösungen zu geben: weniger durch Worte, als durch Körpersprache und Vorbild. Ansonsten haben wir viel Spaß miteinander, auch weil ich relativ entspannt bin. Mit 4 oder 5 Kindernwäre mir das nicht möglich. Das würde für die Kinder wie für mich eine Überforderung bedeuten und mir Kreativität und Leichtigkeit nehmen. Erfahrungsgemäß überträgt sich meine Stimmung direkt auf die Kinder („Gefühlsansteckung“).

Was das Essen betrifft, bemühe mich um gesunde Kost. D.h.: Ich koche selbst.

Unser Standard, ein 3-Gänge-Menü: Rohkost als Vorspeise. Manch ein Hauptgang geht nur auf meinem Schoß. Die Nachspeise geht meist ohne Hilfe. Oft genug habe ich ein Kind im Sicherheitsabstand beobachtend mit am Herd stehen, das mir unter meiner Aufsicht beim Kochen hilft.

In Kitas oder Großtagespflegen ist der Aufenthalt von Kindern in der Küche untersagt. Was für ein Verlust. Mithelfen ist das Größte: Wie sich z.B. das rohe Ei vermatschen lässt… Oder erste Erfahrungen mit einem Messer – unter unabgelenkter Aufsicht. Selbstgeschnippeltes wird dann auch eher mal probiert. Das sind Aktionen, die nur im kleinen, familienähnlichen Setting funktionieren. 

Ebenso Erfahrungen mit einer viel befahrenen Straße, zu Fuß oder mit dem Laufrad zur U-Bahn oder gar Radfahren Erlernen bzw. Üben. … All das ist nur im intensiven aufeinander Bezogen-Sein in gesunder Weise möglich. In der Kooperation (weder Konditionierung noch Dressur) finden die Kleinen ihren eigenen, persönlichen Platz. Körperliche Sicherheit und sogenannte Selbstständigkeit sind nicht oberstes Betreuungsziel, wie es uns unsere kleinen Kita-Helden mit ihren meist ernsten Gesichtern vorleben. Nein: Es geht um Beziehung. Und in dieser verlässlichen, emotionalen Sicherheit durch Bezogenheit zu mir können die Kinder sich in wohlwollender Atmosphäre selbst kennenlernen, ausprobieren, und selbstbewusst werden. Auf dieser Basis können und wollen sie auf ganz natürliche Weise selbstständig werden. Vor allem die 1-3-Jährigen brauchen dieses achtsame, wohlwollende Wahrgenommen-Sein, dieses liebevolle Geführt-Werden, um zu sich selbst eine gute Beziehung aufbauen zu können und auch noch später – nach diesem Vorbild – zu anderen Menschen wertschätzende und liebevolle Beziehungen aufbauen zu können. Glückliche starke Kinder, glückliche starke Menschen sind kein Zufall!

Bei unserer tendenziell ruhigen Atmosphäre kann manchmal der Lärmpegel etwas ansteigen, wenn nachmittags das eine oder andere, inzwischen schon etwas ältere  Enkelkind dazukommt. Jedes Kind bringt seine Phonzahl mit. Je mehr Kinder, desto lauter, desto anstrengender – auch für mich. Auch wenn der Schüssel derselbe sein sollte wie bei mir (also 1:3), sind z.B. 9:3 Kinder anstrengender als 3:1.

Trotz unseres ruhigen Settings ist die Zeit bei mir – weg von der Familie – doch anstrengend. Und so schlafen die Kinder bei mir immer gerne und lange. Auch das zum Schlafen-Bringen erfordert oftmals ein Einwiegen auf meinem Arm und damit eine 1:1 oder 1:2-Betreuung. Ich versuche, die Kleinen möglichst früh am Tag hinzulegen, damit der Feierabend der Eltern nicht gefährdet ist. Sie schlafen ein in dem Bewusstsein, dass die Mama sie nach dem Schlafen abholt. Und die Sehnsucht erfüllt sich, jeden Tag neu. 

Manche Kinder, besonders ab 2 ½ oder 3 Jahren, schaffen es auch mal, noch 2 Stunden nach dem Schlaf bei mir anzuhängen. Und die Teilzeit-Arbeitszeit der Eltern ist gerettet. 

Was für ein Schatz: das Vertrauen der Kinder und schließlich auch von den Eltern zu genießen.

Antonia Ulbrich, 70599 Stuttgart Birkach, Januar 2025