Fragen und Antworten
Das Interview führte Andrea Tichy
mit einer Erzieherin, die 4 Jahre in der Kita gearbeitet hatte.
Kapitel A)
Situation in der Krippe, Ausstattung und Arbeitsbedingungen
1. Beschreiben Sie bitte anhand der Fragen unten Ihren aktuellen bzw. damaligen Job als Erzieherin/Krippen-Leiterin
Wie lange sind Sie/waren Sie Erzieherin? Krippen-Leiterin?
In was für einer Kita/Krippe arbeiten Sie (Träger: öffentlich, kirchlich etc.)?
Welche Kinder in welchem Alter nehmt ihr auf?
Wie sieht das Betreuungsangebot aus, wie die Betreuungszeiten?
Wie groß sind die Gruppen/wie viele BetreuerInnen?/Betreuungsschlüssel?
Wie hoch ist die Fluktuation bei den ErzieherInnen?
Was passiert, wenn ErzieherInnen krank sind/Urlaub haben/ausfallen: Werden sie ersetzt? Wie wird das aufgefangen?
Ich bin als Erzieherin etwa acht Jahre tätig gewesen.
Davon etwa vier Jahre angestellt in Kindergärten und im Krippenbereich. Ich habe teilweise in öffentlichen, teilweise in kirchlichen und auch in privaten Einrichtungen gearbeitet. Die Kinder wurden überall ab dem ersten Lebensjahr aufgenommen.
Wobei die Eingewöhnung teilweise auch mit zehn Monaten angefangen hatte.
Die Betreuungszeiten waren nicht anders für die Krippenkinder als die Öffnungszeiten der Einrichtung bzw. der Antrag der Betreuungszeit der Eltern. Die Eltern bestimmen die Zeit und Dauer der Betreuung ihres Kindes – nicht wir!
Der Schlüssel war 1 zu 6. Wir hatten zwölf Kinder in der Gruppe und zwei Erzieherinnen.
Wie die Fluktuation ist, ist schwierig zu sagen. Es wurde immer darauf geachtet, dass die wenigsten Veränderungen im Krippenbereich stattfinden. Dies war jedoch organisatorisch gar nicht machbar. ErzieherInnen sind im Urlaub, sind krank, sind mal auf Weiterbildung. Übernehmen auch Frühdienste und Spätdienste. Das bedeutet zum Beispiel: Sie verlassen die Gruppe aufgrund eines Frühdienstes schon mal um 15.00 Uhr. Jedoch gibt es Kinder, die bleiben bis 17.00 Uhr. Eine mögliche Bezugsperson fällt dann schon mal weg. Und für einen täglichen Wegfall der ErzieherIn springen andere ErzieherInnen von anderen Gruppen ein und zur Unterstützung gibt es evtl. noch PraktikantInnen dazu. Es wurden immer Lösungen gesucht, wenn eine ErzieherIn ausgefallen ist.
Ob dies optimal, kindgerecht und stressfrei war – naja, eher nein!!!
2. Sind Sie/waren Sie mit Ihrer Arbeitssituation in der Krippe zufrieden?
Ich habe die Probleme des Krippenalltags nicht auf die Leitung projiziert, meine Kolleginnen oder äußerliche, räumliche Umstände. Nein.
Aber ich habe jeden Tag ein negatives Gefühl in mir gespürt.
Ich habe jeden Tag in der Krippe unheimlichen psychischen und emotionalen Stress um mich herum und dann auch in mir gespürt.
Ich bin aber nicht auf die Idee gekommen, dass allein die Idee der Krippen-Erfindung, allein schon das Konzept, Kinder in diesem jungen Alter in eine Einrichtung abzugeben, das Problem schon in sich trägt. Auf diese Idee kommt man nicht, denn das würde bedeuten, seinen Job in Frage zu stellen. Das habe ich irgendwie ausgeblendet.
Wahrscheinlich hätte ich meinen Job kündigen müssen und zugeben müssen, dass das, was ich tue, falsch ist. Nämlich mit meiner Arbeitskraft eine Ideologie zu unterstützen, welche ich doch gar nicht moralisch vertreten möchte.
Um es kurz sagen: Es gab natürlich und selbstverständlich wunderschöne, lustige, harmonische Momente mit all den Kindern in der Krippe, aber nichtsdestotrotz war es ein täglicher Stress für mich und die Kinder.
Ich glaube, was all die ErzieherInnen – mich eingeschlossen – „blind“ macht, ist das Gefühl der (jedoch falschen) Notwendigkeit. Oder das Gefühl, vonnöten, wichtig zu sein.
Wenn ich ein weinendes Kind in meinem Arm halte, dann werde ich genau in diesem Moment gebraucht.
Ich halte das Kind fest, ich tröste es, kuschel es – ich bin ein Mutterersatz!
Das löst in mir das Gefühl aus, dass ich gebraucht werde. Dass dieses Kind meine Hilfe, meinen Trost, meine Unterstützung braucht. Ist doch ein schönes Gefühl!?
Was soll daran falsch sein!?
Und das täglich, stündlich mehrmals von den unterschiedlichsten Kindern im unterschiedlichsten Alter und in ganz, ganz vielen Situationen.
Wir ErzieherInnen haben einen wunderbaren Beruf – wir tragen die Kinder anderer, wir hüten sie, wir begleiten sie, wir trösten sie und führen sie.
Was soll daran denn falsch sein?
Ich werde gebraucht und ein süßes Lächeln der Kleinen gibt alles wieder zurück!
Lässt selbst den Stress vergessen und weitermachen.
Ich sage das, weil es das Gefühl ist, warum wir ErzieherInnen nicht erkennen können oder wollen, dass die Einrichtung der Krippe nicht der wahre und richtige Ort ist für Kinder in den ersten Lebensjahren. Denn wir werden gebraucht!!! Sie schreien nach ihren Müttern, aber wir spielen den Mutterersatz. Das löst wunderbare, sinnvolle Gefühle aus, welche viele Menschen in ihrem Beruf bestimmt nicht wiederfinden können. Aber im Krippen Job schon! Und genau das macht uns jedoch blind und lässt uns nicht mehr kritisch sein.
Kapitel B)
KrippenAlltag, Sicht auf die Kinder
Bitte denken Sie sich jetzt in den Krippen-Alltag hinein. Es geht bei den folgenden Fragen in erster Linie darum, den Blick auf die Kinder zu lenken. D. h., es geht darum, wie es den kleinen Kindern in der Krippe geht und wie ihr ErzieherInnen sie erlebt.
1. Eingewöhnung
a) Wie läuft/lief in Ihrer Einrichtung eine typische Eingewöhnung ab?
Sind Sie zufrieden damit, wie es läuft?
Eine typische Eingewöhnung war zwischen zwei und vier Wochen.
Das Kind besucht uns in Begleitung der Mutter oder des Vaters und begleitet uns einfach für ein bis zwei Stunden.
An den folgenden Tagen verlässt die Bezugsperson den Raum und wartet z. B. in der Garderobe. Erstmal für 30 Minuten, an den folgenden Tagen für eine Stunde, usw. … Das wird immer weiter ausgedehnt.
Immer mit Absprache der Eltern versucht man die Dauer an das Kind anzupassen.
Wenn das Kind weinerlich ist, dann wird mehr Zeit benötigt.
Wenn das Kind keine Probleme zeigt, dann kann die Eingewöhnung auch in zwei Wochen erledigt sein. Es gab eine Einrichtung, da habe ich erlebt, dass die ErzieherInnen sehr strikt waren mit der Eingewöhnung. Wenn der zeitliche Rahmen sein Ende nahm, das Kind aber noch Schwierigkeiten mit der Trennung hatte, dann wurde darauf keine Rücksicht genommen. Mit folgenden Kommentaren: „Da muss es jetzt durch.“
„Die Mutter muss sich endlich trennen, sonst kann sich das Kind doch auch nicht trennen.“„Lässt sich nicht ändern, irgendwann hört es schon auf mit Weinen.“
Solche Sprüche habe ich dann von Seiten der ErzieherInnen gehört.
Mir wurde von Kolleginnen empfohlen, das Kind schnell abzulenken und dann der Mutter zu sagen: „Gehen Sie jetzt schnell (ohne Verabschiedung), dann bemerkt das Kind nichts und jetzt spielt es ja so schön.”
Häufige Situationen zeigten, dass das Kind anfing mit Weinen, wenn es tatsächlich bemerkte, dass die Mutter weggegangen ist und nicht in der Garderobe wartet.
Natürlich verstehen die Kinder nach einiger Zeit: Krippe = Mutter geht weg.
Was geht aber wirklich in ihnen vor? Sie konnten es mir nie sagen, denn sie können ja nicht sprechen.
Und auch ihre Signale habe ich nicht immer richtig deuten können. Es braucht ja viel Zeit, ein fremdes Kind kennenzulernen und seine Signale zu deuten.
b) Welche emotionalen bzw. innerseelischen Zustände der kleinen Kinder sind/waren während der Eingewöhnung typisch (evtl. auch an Alter und Temperament denken)?
Ja, da gab es wirklich ganz verschiedene Zustände. Man kann das eigentlich nicht pauschal sagen. Es gibt laute und leise Kinder und was dazwischen und Kinder, die ihre Gefühle zeigen und Kinder, die sie verstummen lassen.
Häufig würde ich jedoch sagen ist das Weinen! Weinen, weinen, weinen!!!
Manche weinen minutenlang, manche ein bis zwei Stunden lang. Es gab Kinder, die haben immer und immer wieder geweint, vom Moment des Abgebens bis zum Moment der Abholung und besonders bei der Abholung wurde manchmal noch was drauf gesetzt.
Manche Kinder haben sich durch ein Spiel gut ablenken lassen, andere jedoch gar nicht. Dann gab es Kinder, die den Trost der ErzieherIn von Beginn an angenommen haben, andere haben erst nach langer Zeit eine Beziehung zu uns aufgebaut.
Es gab Kinder, die haben lautvoll protestiert, mit Geschrei, mit Rufen nach Mama, mit Treten an der Tür und warten an der Tür, bis die Mutter endlich wieder zurückkommt.
Andere Kinder haben keine laute Reaktion gezeigt, waren eher stumm, willenslos, haben sich der Situation ergeben. Was haben sie für eine Wahl?
Wenn man einige Zeit in einer Krippe gearbeitet hat und den Alltag mal miterlebt, dann gibt es keine Zeit, sich acht Stunden nur um das eine Kind zu kümmern und auf jeden Pieps und Mucks Acht zu geben. Der Alltag muss laufen!
Da sind noch andere elf Kinder.
Die haben Hunger, sind müde, wollen die Welt entdecken, müssen gewickelt werden.
Ich will damit sagen, dass man die Gefühle der Kinder während der Eingewöhnung natürlich mitbekommt und wahrnimmt – es bleibt jedoch nicht die Möglichkeit, sich so intensiv um das eine Kind zu kümmern, denn da sind ja auch noch die anderen.
Es gab auch immer wieder Eltern, die bei der Verabschiedung ihrer ganz kleinen Kinder noch ewig an der Tür standen, sich nicht lösen wollten, das Geschrei nicht einordnen konnten. Hilfe und Rat bei mir suchten – was denn nur falsch läuft und ich wollte am liebsten sagen:
Die Sache ist nicht so kompliziert, ihr Kind sagt es ja eigentlich ganz klar und direkt: „Mama ich will bei dir sein, geb mich nicht ab.“
Wie oft habe ich die Momente gehasst, in denen die Eltern nur eine kluge pädagogische Antwort von mir hören wollten, warum es denn nicht reibungslos funktioniert?
Und nicht selten wurde die Schuld bei der Einrichtung gesucht.
Bei der ErzieherIn, die nicht zu dem Kind passt, bei der Gruppe, die vielleicht zu laut ist (da weinen ja noch andere, das ist nicht gut für mein Kind).
Es gab Momente, da wollte ich am liebsten sagen, warum nehmen Sie nicht Ihr Kind und gehen mit ihm nach Hause. Das wäre die Lösung.
Aber es ist ja mein Job, die Kinder anzunehmen.
Was würde meine Chefin sagen, wenn ich alle Eltern mit ihren Kindern wieder nach Hause schicke!?
Und dann gibt es tatsächlich die Kinder, die aufhören mit Weinen und Schreien, wenn die Eltern gegangen sind und die Tür zugegangen ist.
Alles gut nun, mit einem einjährigem Kind? Alles in Ordnung in dessen Seelenleben?!
Ich weiß es nicht! Ich weiß es wirklich nicht, aber ich habe auch leider keine Zeit, darauf ewig einzugehen, denn es wartet schon das nächste Kind an der Tür!
c) Bekommen die Eltern etwas vom emotionalen Zustand ihrer Kinder mit?
Die Eltern bekommen teilweise etwas von dem emotionalen Zustand ihrer Kinder mit.
Es gibt Eltern, die verabschieden sich kurz und knapp und wirklich schnell an der Tür.
Sie können auch das Weinen ihrer eigenen Kinder nicht mit ansehen und möchten sich schnell verabschieden.
Es gibt andere Eltern, die eine Verabschiedung an der Tür lange hinausziehen.
Sie wollen ihre Kinder nicht der Situation alleine überlassen, können sich nicht trennen.
Ich habe auch oft erlebt, dass Eltern in die Garderobe gegangen sind und gelauscht haben, wie lange ihr Kind weint. Ich weiß nicht, ob sie mit ihrem schlechten Gewissen ringen oder ob sie die Situation kontrollieren wollen.
Wir hatten Kolleginnen, die sehr offen mit den Schwierigkeiten der Kinder umgegangen sind und diese auch transparent den Eltern deutlich gemacht haben und ganz ehrlich darüber gesprochen haben.
Manche Kolleginnen haben die Eltern getröstet und gesagt, dass alles gut ist – auch wenn gar nicht alles gut war.
d) Kann man davon ausgehen, dass das Kind die Trennung akzeptiert hat, wenn es nicht mehr weint und/oder sich sehr schnell beruhigen lässt?
Ja, ich würde sagen dass es viele Kinder gibt, die die Trennung irgendwann akzeptieren.
Ob es ein gutes Zeichen ist, weiß ich nicht.
Sie haben keine Wahl! Sie wissen nicht was sie sonst tun sollen!
Vielleicht gibt es auch schon bei ganz kleinen Kindern ein Gefühl, das sagt: „Mach das Beste draus.“
Bestimmt ist es aber auch eine Resignation und eine Willensbrechung.
Ein einjähriges bis dreijähriges Kind ist machtlos.
Wir Erwachsene verfügen über das Kind, wir bestimmen über das Kind, wir führen das Kind in diese Welt hinein, es vertraut sich uns voll an. Es scheint, als wäre alles gut, wenn es sich beruhigt hat. Heute jedoch sehe ich das anders. Es übergibt sich der Situation und wir warten auf der anderen Seite der neuen Situation.
Von der Bindungsperson zur neuen Bezugsperson. Ein Urvertrauen wird gebrochen, eine neue Beziehung zu neuen Menschen muss nun schnellstmöglich aufgebaut werden. Und wir vergessen bitte nicht: Wir sind keine Familienmitglieder. Wir ErzieherInnen bleiben fremde Menschen für die Kinder. Ich glaube, es ist eine Mischung aus Willensbrechung und Resignation, um die neue Situation zu akzeptieren und mit dem Stress von der Trennung der vertrauten Bindungsperson Mama zurecht zukommen.
2. Krippen-Alltag
a) Können Sie einen typischen Krippentag beschreiben? Wie sehr können ErzieherInnen auf die (emotionalen) Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingehen?
Ein typischer Krippentag.
Ja, die Kinder kommen am Morgen nach und nach an. In manchen Einrichtungen ist die Tür ab 6.00 Uhr offen. Die jeweilige ErzieherIn, welche den Frühdienst übernommen hat, nimmt die ersten Kinder entgegen. Darunter auch oft die einjährigen Kinder und die ErzieherIn ist dann nicht immer die BezugserzieherIn für das Kind! Das darf man nicht vergessen. Die können ja nicht all die Stunden in der Einrichtung anwesend sein.
Am Vormittag, wenn alle Kinder da sind, gibt es einen kleinen Morgenkreis und dann je nach Situation, Fest, Feierlichkeit, Anlass, Jahreszeit, ein einfaches Angebot.
Vielleicht malen, freies Spiel, verkleiden, tanzen und Musik hören, in den Garten gehen.
Die Idee, dass die Kinder höchste Förderung in der Einrichtung erhalten, ist für mich total utopisch. Ja, es stimmt, die Eindrücke, die Flutung von neuen Reizen ist enorm in solch einer Einrichtung, das bringt den Erfahrungsschatz weit voran.
Aber die Frage ist:
Ist das in diesem Alter notwendig oder ist der Bindungsaufbau zur Mutter doch erstmal an der Reihe. Die Kleinen sind gefühlt doch gerade erst geschlüpft.
Warum muss man sie mit tausend Eindrücken belagern und überschütten?!
Viele ErzieherInnen sind wertvolle pädagogische Fachkräfte und versuchen alles aufzufangen, was da an Weinen und Jammern ist. Ich habe die liebevollsten ErzieherInnen erlebt, die mit Herz und Schweiß alles gegeben haben, damit es den Kleinen gut geht.
Aber egal wie liebevoll sie sind, auch sie haben nur zwei Hände und auch sie können nicht mehr als zwei Kinder tragen und halten.
b) Wie ist Ihrem Empfinden nach der innerseelische Zustand der kleinen Kinder in der Krippe? Spielt das Alter eine Rolle?
Ja, das Alter spielt definitiv eine Rolle.
Ich kann das eigentlich momentan gut nachempfinden. Da meine Tochter nun zwei Jahre alt ist und ich die Entwicklung des langsamen „Lösens und Entfernens von mir“ sehe.
Das erste Jahr war sie stets an mich gebunden und teilweise an meinen Mann. Ab dem zweiten Lebensjahr konnten wir sie hin und wieder im vertrauten Familienkreis von Oma und Opa und Tanten und Onkel lassen. Und je nach Phase uns auch mal entfernen oder einkaufen gehen. Ich habe beobachten können, wie sie nach langem Kennenlernen der Großfamilie ein Vertrauen gewinnt und je älter sie wurde, umso weniger Schwierigkeiten hatte sie, wenn wir uns für eine kurze Zeit getrennt haben.
Ich erzähle das, weil mir das innerseelische Leben meiner Tochter hilft zu begreifen, was die Kinder für Phasen der Bindung und auch des „Sichlösens“ durchmachen.
Sie geben von alleine ein klares Signal, ob sie bereit sind, sich von uns zu lösen oder ob sie unsere Gegenwart noch dringend brauchen. Diese Signale muss man lernen zu sehen. Das sind die Signale der Seele unserer Kinder.
Vielleicht lernen wir in unserer ErzieherInnen-Ausbildung diese Signale kennen.
Jedoch werden wir nicht darauf geschult, darauf zu achten und die beste Lösung zu finden. Weil das klar bedeuten würde: Schließt alle Krippen-Einrichtungen!!!
Kinder in diesem jungen Alter gehören in ihre Familien, zu ihren Müttern!!!
Wer würde so etwas schon behaupten.
Das wäre doch ein Skandal und das westeuropäische Wirtschaftssystem müsste komplett umdenken, wenn wir plötzlich erkennen wollen würden, was wirklich in den Seelen unserer kleinen Kinder vorgeht und wie sie leiden.
Ich habe einen kleinen, einjährigen Jungen in der Krippe bis zu seinem dritten Lebensjahr begleiten können. Er war ein typisches Beispiel für ein Kind, welches das Leiden der Einsamkeit und der Suche nach seiner Mutter und die fehlende Bindung in sich trug. Er war unheimlich introvertiert, er hat nicht geredet, kaum gegessen, nie gespielt, selten gelacht, wenig Beziehung zu uns aufgebaut. Er war einfach nur still und leise da. Wir ErzieherInnen wussten, dass er eine unheimliche Sehnsucht nach seiner Mutter hatte. Seine Eingewöhnung fing mit zehn Monaten an und er war nie unter neun Stunden in der Einrichtung. Ein extremes Beispiel, aber auch diese gibt es gehäuft. Was ich sagen möchte, ist, dass wir in all den Jahren doch wenig Veränderung beobachten konnten. Sein seelischer Zustand wirkte wie ein gestempeltes Merkmal in seiner Persönlichkeit. Es gab eine Zeit, da besuchte uns aufgrund einiger Zustände eine Psychologin in der Gruppe und nach kurzer Zeit sagte sie: “Was ist denn mit dem Jungen los? Er wirkt, als leide er unter psychischem Hospitalismus.“ Ich schlug nochmal nach, was das Wort „Hospitalismus“ bedeutete. Es war ein Moment in dem mir die Augen auf gingen und ich dachte … Ja!!!
Krippe hat irgendwie eine Verbindung zu dem Wort Hospitalismus oder psychischem Hospitalismus. Jetzt werden sich viele an den Kopf greifen und sagen, man kann doch nicht mit solchen Worten umherwerfen und so eine Aussage pauschalisieren.
Aber für mich war es eine Erkenntnis, dass irgendetwas nicht stimmt mit dieser Art von Betreuung.
Es gibt tausend Gründe und dann wird gesagt „gute Gründe“, warum die Mutter diesen Jungen so viele Stunden jeden Tag abgegeben hat. Ja, die gibt es. Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass die Gründe uns das Recht geben, unsere Kinder von uns zu trennen.
c) Wird den Eltern erzählt, wenn das Kind tagsüber öfter weint und offensichtlich unter der Trennung leidet?
Das ist wirklich ganz unterschiedlich.
Das hängt von den ErzieherInnen und auch der Leitung ab.
Es gibt Personal, das ist wenig transparent und möchte nicht viel Drama provozieren. Kurz gesagt: Ich habe erlebt, dass über Schwierigkeiten geschwiegen wurde und auch gelogen. Es wurde gesagt, dass alles gut ist. Dass sich das Kind wohl fühlt und nicht weint. Aber ich konnte etwas anderes beobachten.
Es gibt Kolleginnen, die mit Absicht den Eltern alles schönreden, damit sie unbesorgt sind.
Und dann gibt es Personal, welches ganz offen und ehrlich mit den Eltern umgeht und über die täglichen Probleme spricht.
Ich hatte ein Kind, das hat die Trennung mit einem Jahr und drei Monaten überhaupt nicht verkraftet. Es war völlig verstört, hat nur geweint und hat über ein halbes Jahr Essen verweigert. Die Mutter wusste nicht weiter. Ich habe die Probleme ganz offen angesprochen und sie kämpfte mit dem schlechten Gewissen in ihr. Das hat sie mir gesagt. Ich hab ihr geraten, auf ihre innere Stimme zu hören und ihrem Instinkt zu folgen.
Das konnte sie nicht. Meine Kollegin ist weniger transparent gewesen und war nicht begeistert von meiner Offenheit. Man soll es den Eltern ja nicht noch schwerer machen!
Diese Aussage stinkt zum Himmel und ist leider von großer Feigheit.
Ich habe gesagt, ich werde niemals Eltern anlügen. Das würde allem in mir, an das ich glaube, widersprechen.
d) Welche Situation (auf die Kinder bezogen) ist für Sie besonders schlimm im Krippenalltag?
Mir tut es einfach weh zu sehen, dass die Kinder wegen der Trennung von ihren Müttern oder Vätern so leiden. Und ihr Leiden nicht gehört wird, sondern ignoriert.
Wir fangen sie auf, so gut es geht. Aber das ist nicht dasselbe und wir Pädagogen können nicht das wieder reparieren, was geschädigt wurde, als wäre nichts passiert.
Es tut weh, mitanzusehen, wenn ein Kind unaufhörlich nach der Mutter ruft, sich in den Schlaf weint, an der Tür wartet, bis es endlich abgeholt wird.
Und schlimm ist für mich auch gewesen:
Wenn die Kinder es so schwer mit der Trennung haben und wenn die Eltern kommen, dann gab es oft Situationen, dass die Kinder die Eltern beleidigt ignoriert haben und die Eltern interpretieren das mit einem Kommentar: „Der muss sich ja wohl fühlen, der will gar nicht mehr mit nach Hause.“
Die Kinder sind sauer auf die Eltern: Warum haben sie mich hier gelassen …?
Warum gehst du von mir weg, Mama …?
Was habe ich falsch gemacht …?
Aber die Eltern interpretieren das Gegenteil.
Kapitel C)
Debatte in Politik und Medien
Krippen werden in der Öffentlichkeit und Politik oft als der ideale Ort für frühkindliche Bildung dargestellt.
Ein Argument ist: Man würde den Kindern „frühe Bildungschancen“ geben, die sie zu Hause in der Form nicht erhalten könnten.
Ein anderes Argument ist: Schon für Kinder ab einem Jahr wäre der Kontakt zu Gleichaltrigen sehr wichtig.
Können Sie diese Aussagen aus Ihren Erfahrungen in der Krippe bestätigen?
Wir haben in der Ausbildung gelernt, dass Kinder in den ersten zwei Jahren nicht miteinander, sondern nur nebeneinander spielen. Ab etwa 2,5 Jahren geht gemeinsames Spielverhalten los, längere gemeinsame intensive Spielphasen entwickeln sich. So habe ich das in meiner Ausbildung noch gelernt.
Sagt eigentlich vieles aus.
Und Bildung. Nun ja, man hat auch rausgefunden, dass geerdete, gebundene Kinder mehr in der Lage sind, die Welt zu entdecken und besser begreifen und lernen können, weil sie über eine stabile und feste Persönlichkeit verfügen und sie weniger emotionale Hürden und Blockaden in sich tragen.
Ich schätze, dass der Kontakt zu anderen Kindern eine Erweiterung des Erfahrungsschatzes beinhalten soll. Das könnte ich mir so vorstellen.
Dieser ist aber in den ersten Jahren nicht wichtiger Bestandteil für die Betreuung eines Kindes. Das darf man nicht vergessen und verwechseln.
Wir sollten die Kinder zeitlich nicht überfordern, sie müssen nicht auf die Welt kommen und gleich mit unseren Bildungskonzepten überschüttet werden.
Meine Meinung ist, dass wir Bindung mit dem Leitsatz der Bildung vertauscht haben,
und die Wichtigkeit der festen Bindung vergessen.
Weil irgendwelche schlauen Leute neue Konzepte auswerfen, heißt es nicht, dass sie richtig sind.
Ich sage das, weil ich selbst eine lange Zeit immer blind die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen geschluckt habe.
Wer aber sitzt hinter all diesen pädagogischen Konzepten?
Und warum muss ich erst lange etwas studiert haben und mit Studien belegen müssen, wenn mein eigentlicher mütterlicher, natürlicher Instinkt die Wahrheit hinausschreien möchte und mir etwas anderes sagt.
Jede Mutter ist ihr eigener Profi. Und würden wir wieder lernen, unserem natürlichem Instinkt zu folgen, dann würden wir alle lachen, wenn noch einmal jemand kommt und sagt, gib dein Kind besser in der Krippe ab, denn Bildung ist besser und wichtiger als Bindung.
Kapitel D)
Rolle der Eltern
1. Was sind die Beweggründe der Eltern,
ihre Kinder in einer Krippen-Einrichtung betreuen zu lassen?
Was ist den Eltern wichtig beim Betreuungsangebot?
Die Beweggründe sind unterschiedlich, aber relativ klar:
Arbeit! Die meisten wollen wieder arbeiten gehen! Wollen genug Geld verdienen!
Viele denken, sie müssen wieder arbeiten gehen!
Einige halten dem gesellschaftlichen und selbst auch familiären Druck nicht stand und haben Komplexe, wenn sie nicht wieder arbeiten gehen.
Einige fühlen sich nicht vollwertig, lassen sich einreden, sie müssen der Karriere wieder folgen, sonst verlieren sie den Anschluss.
Manche trauen sich das Muttersein nicht zu, haben mangelndes Vertrauen, eine gute Mutter zu sein und denken, dass pädagogisch ausgebildete Fachkräfte es besser drauf haben. Diese Bemerkung habe ich tatsächlich schon gesagt bekommen.
Es gibt Mütter, die haben die ewige Gewohnheit des Arbeitens nicht aufgeben wollen und fühlen sich wertlos nur „zuhause zu sein.“
Plötzlich ist viel Zeit, vielleicht zu viel Zeit, um über das Leben nachzudenken!?
Geld!!! Es fehlt sonst am Geld! Man kommt andernfalls heutzutage nicht mehr über die Runden!
All diese Aussagen sind Beweggründe von Eltern gewesen, warum sie ihre Kinder so früh abgeben müssen.
Und dann gibt es die Eltern, die kennen es nicht anders.
Ich habe sogar Eltern kennengelernt, die tatsächlich geglaubt haben, es wäre eine Pflicht, sein Kind abzugeben, sonst würden sie etwas falsch machen.
Und dann ist manchmal auch die Unlust, die Anstrengung, die fehlende Hingabe für sein Kind. Wenn ich es abgebe, dann kümmert sich jemand anderes darum. Ich habe Zeit für meine Dinge.
Die Eltern wollen, dass es ihrem Kind gut geht!!
Den anderen weiteren elf Kindern in der Gruppe!?
Naja, vielleicht egal, Hauptsache wir kümmern uns um ihr Kind so richtig gut!
Die Eltern kommen oft mit ganz unrealistischen Vorstellungen.
An was wir alles denken sollen und müssen. Das wäre Einzelbetreuung.
2. Wie sehr sind Eltern informiert
darüber (oder informieren sich selbst darüber), wie es ihren Kindern in der Krippe geht?
Das ist ganz unterschiedlich.
Da habe ich schon alles Mögliche erlebt.
Eine Mutter sagte mir, sie will nicht wissen, wie es ihrem Kind in der Krippe geht.
Denn sie will sich nicht mit dem schlechten Gewissen plagen.
Sagen Sie mir bitte einfach immer, alles ist gut.
Diese Bitte wurde tatsächlich geäußert.
3. Wie ist Ihr allgemeiner Eindruck von den Eltern
in folgenden Punkten (hier geht es um Tendenzen. Eltern sind natürlich unterschiedlich):
Wie gut sind sie darüber informiert, was Kleinkinder in einem bestimmten Alter brauchen?
Wie gut können sie schwierige Reaktionen ihrer Kinder auffangen (z.B. bei Bring- und
Abholzeiten)? Wie empathisch können sie auf ihre Kinder eingehen?
Ich würde sagen, es gibt die Eltern, die einen liebevollen harmonischen Ort für ihre Kleinen suchen, an dem sie ihre Kinder beruhigt abgeben können und hoffen, sie werden mit liebevoller Zuwendung umsorgt. Sie interpretieren nicht zuviel hinein und sehen es mehr als zweckmäßigen Betreuungsort, damit sie arbeiten gehen können.
Nicht mehr und nicht weniger. Sie stellen wenige Fragen, haben wenige Ansprüche, geben sich mit allem zufrieden und sagen „Hallo“ und „Tschüss“.
Und dann gibt es die Eltern, die den bestmöglichsten Platz für ihr Kind suchen mit hoher Personalqualität und anspruchsvollen Angeboten und einem breiten Konzept.
Je mehr Trubel und Action, umso mehr Bildung hat ihr Kind erhalten. Sie suchen die Lücken der Kinder, die wir fördern sollen. Mangelnde Entwicklungsschritte sollen wir auffangen und zurechtbiegen. Sie haben viele Vorstellungen, immer eine Frage bei der Abholung und eine tägliche Bitte beim bringen. Es gibt immer mal wieder was zu beanstanden, aber dann wird auch gerne mal ein Obstkorb als Entschädigung gesponsert. Diese Eltern sehen oft gar nicht in das Innere ihrer Kinder, sind mit ihrem Kopf voll mit Gedanken, können manchmal gar nicht realistisch einschätzen, was ihr Kind wirklich braucht und dass es die Entwicklung meist ganz von alleine macht und wir nicht die ganze Zeit an ihrem Kind herumziehen müssen und möchten.
Das sind anstrengende Eltern, sie sind oft nicht emphatisch mit ihren Kindern und verstehen die Reaktionen ihrer Kleinen nicht.
Und dann gibt es ganz, ganz viele unterschiedliche Eltern irgendwo dazwischen und daneben und dahinter und davor.
Nur diese zwei Beispiele, die mir spontan in den Kopf kamen, habe ich beschrieben.
4. Was würden Sie gerne den Eltern sagen, die kurz vor der Entscheidung stehen, ob sie ihr Kleinkind in einer Kinderkrippe betreuen lassen?
Liebe Eltern,
bitte denkt über eure Entscheidung noch einmal gut nach.
Ich kenne eure Situation nicht.
Ich weiß nicht, ob ihr alleinstehend seid oder in Partnerschaft steht. Ob ihr reich oder arm seid, ob ihr familiäre Unterstützung habt oder nicht.
Trotz allem nehmt euch die Zeit und denkt darüber nach.
Die Kinder gehören nicht euch, aber sie gehören zu euch.
In euch sind sie gewachsen, so viele Monate gereift. Ihr seid der Ursprung und nun brauchen sie eure Liebe, eure Zuwendung und Fürsorge.
Eure Arme und Hände, eure Stimme und euer Mitgefühl.
Wieviel Verständnis kannst du für dein Kind aufbringen, weil es genau dein Kind ist.
Es ist ein Teil von dir und es braucht dich. Nicht nur ein paar Wochen und Monate …
Nein, es braucht dich noch länger.
Gib deinem Kind die Zeit!
Und gib dir die Zeit!
Was hetzt euch im Leben? Was werdet ihr schon verpassen?
Das Geld, das wir dann verprassen?
Das formt unsere Kinder auch nicht besser!
Dein Kind braucht dich und euch! Eure Gegenwart. Euer bloßes Dasein.
Die Zeit, die Ruhe, die gemeinsame Stille, die gemeinsame Entdeckung der Welt!
Ihr werdet so vieles verpassen.
Die ersten Worte, die ersten Schritte … Ja womöglich, vielleicht aber noch viel mehr.
Unsere Kinder brauchen nicht all die überfüllten Reize und Sinneseindrücke von all den tausend pädagogischen Angeboten. Dafür ist später noch genug Zeit!
Nun ist die Zeit, eure Kinder zu erden, zu binden, mit Liebe zu beschenken.
Das wird sie formen, das wird sie beziehungsfähig machen. Warum müssen wir sie schon so klein und jung dem gesellschaftlichem Stress ausliefern.
Bitte, liebe Eltern besinnt euch noch einmal. Denkt darüber nach.
Was ist wirklich wertvoll im Leben?
Baut eure Eigentumshäuser später und nehmt keinen Kredit auf. Kauft bei eBay- Kleinanzeigen ein, anstelle alles NEU erhalten zu müssen. Das schont auch noch unsere Umwelt. Habt keine Angst, auch einmal selbst verzichten zu müssen. Es tut gar nicht so weh und es ist wunderschön und macht Freude, auf materielle Gegenstände zu warten und darauf zu sparen. Und die Kinder lernen das auch.
Wir lassen uns doch alle mitreißen von dem weltlichen Luxus, von dem Komfort, von all den Vorstellungen, wie das moderne Leben aussehen muss.
Dein kleines Kind kommt nackt auf die Welt im Jahr 2018 und hat keinen blassen Schimmer, was auf es zukommt. Das Einzige, was dein Kind interessiert, sind die existenziellen Grundbedürfnisse und dazu gehört auch die Liebe, die Zuwendung von dir, von euch.
Aber nicht von fremden Frauen.
Nein, von euch Müttern und Vätern!
Habt keine Angst vor dieser Aufgabe, vor dieser Rolle.
Wir sind nicht nur Eltern, wir werden es, wir wachsen hinein.
Lasst euch nicht einreden, ihr seid nichts wert, wenn ihr nur Mütter seid.
Wenn ihr dem Leben als Mutter eures Kindes Zeit schenkt.
Das ist so wertvoll und kostbar.
Ich habe es nicht bereut, diesen Weg zu gehen und ich lerne immer noch meine Tochter kennen. Aber das braucht Zeit.
Und vergleicht euch und eure Kinder nicht. Wir sind alle anders und alle gut so wie wir sind. Wir müssen nicht alles können und alles werden und wir müssen uns von dem Gefühl trennen, dass wir irgendetwas verpassen und auch unser Kind etwas verpassen wird, wenn wir es nicht genug fördern.
Nein, das stimmt nicht.
Bleibt bei euren Kindern. Nehmt euch drei Jahre Zeit mit ihnen!
Ich kann euch nur Mut machen und hoffen, dass viele Eltern anfangen umzudenken.
Die Politik macht es bestimmt nicht, aber wir müssen uns nicht entmündigen lassen.
Liebe Eltern, es ist mehr als wertvoll bei euren Kindern zu bleiben, ihr gebt ihnen die wichtigsten Grundbausteine für das Leben. Eine feste Bindung. Selbst wenn wir Fehler machen, Kinder können uns auch verzeihen und wir wachsen gemeinsam.
Kapitel E)
Betreuungszeiten
1. Bietet Ihre Krippe auch Halbtagsplätze an?
Wenn ja, wird das gut angenommen?
Wenn nein, warum wird das nicht angeboten?
Ich habe bisher keine Krippe mit Halbtagsplätzen kennengelernt. (Das wäre doch wirtschaftlicher Verlust. Für die kleinen Kinder gibt’s mehr Geld. Wenn also eine Anmeldung mit mehr Stunden für ein kleines Kind beantragt wird, kommt dies der Einrichtung mehr entgegen.)
2. Wird in Ihrer Krippe den Eltern empfohlen, ihre kleinen Kinder schon früh abzuholen
(mittags oder am frühen Nachmittag)?
Den Eltern eine Abholung zu empfehlen ist normalerweise gar nicht üblich und auch eher weniger gern gesehen.
In einer Einrichtung musste ich hierfür die Zustimmung der Chefin erfragen und diese hat das nicht gerne gesehen.
Jedoch gibt es Ausnahmesituationen, in diesen Momenten war es gar keine Frage.
Eltern mussten bei Krankheit ihre Kinder abholen, wie zum Beispiel bei Fieber, Brechen, Durchfall usw.
Ich gebe aber zu, dass ich es trotzdem hin und wieder den Eltern empfohlen habe.
Wenn ein Kind die lange Trennung von zu Hause nur schwer ertragen konnte und wir das äußerlich stark bemerkt haben, dann gaben wir den Eltern ein klares Signal und haben empfohlen, die Kinder eher abzuholen.
3. In manchen Krippen heißt es, es wäre aus pädagogischen Gründen sinnvoll, seine Kinder erst nach frühestens sechs Stunden (z. B nachmittags) abzuholen.
Das scheint den Empfehlungen von Experten (Psychologen, Kinderärzten etc.) zu widersprechen, die sagen, je jünger das Kind ist, desto kürzer soll die Betreuungszeit gehalten werden.
Ist das bei Ihnen auch so, dass die Kinder erst zu einer bestimmten Zeit abgeholt werden dürfen? Was sind die Hintergründe für diese Regelung?
Es stimmt, dass Kinder, die wenig da sind oder auch nur für eine kurze Zeitspanne da sind (also viel weniger als sechs Stunden/eher so etwa drei Stunden) eine andere Beziehung zu uns aufgebaut haben.
Es war mehr eine Beziehung, die wenig Zuwendung verlangte.
Das ist so mein Gefühl gewesen, wenn ich über die Kinder nachdenke, die von ihren Eltern bewusst jeden Tag nur für wirklich wenige Stunden abgegeben wurden.
Ich hatte auch den Eindruck, dass sie eine Zuwendung, Fürsorge, einen Bindungsersatz gar nicht gebraucht haben.
Sie haben den Eindruck gemacht, als wären sie stark geerdet, fest gebunden, gut umsorgt und fürsorglich gepflegt worden. Oft sind diese Kinder weniger gestresst gewesen. Sie wirkten, als trugen sie einen festen, stabilen Halt in sich, wie ein Fels, den man nicht so einfach umwerfen könnte.
Ich könnte mir vorstellen, dass es vielleicht der Wunsch der ErzieherInnen ist, dass die Kinder sich fest an die Einrichtung, an das Konzept und an das Personal binden, damit man gut zusammenwächst und dafür braucht man Zeit und vielleicht deswegen die Empfehlung mit sechs Stunden.
Ich kenne diese Regelung nicht, dass man sich an starre Zeiten halten muss. Ich kenne nur den Wunsch von manchen ErzieherInnen, dass alle Kinder viel da sind.
4. Macht es einen Unterschied, ob ein Kind kurz oder länger in der Krippe ist?
Wie geht es den Kindern, die sehr lange da sind (aus Ihren persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen)?
Klar, ein Kind, das für ein oder zwei Stunden gebracht wird, hat eine kürzere Zeit der Trennung zu durchleben und genießt dann den restlichen Tag mit der Mutter.
Aber ich bin ehrlich, solche Fälle habe ich kaum erlebt.
Es gab das sehr selten, aber es gab Kinder, welche für drei Stunden zum Spielen gekommen sind und das mit etwa 2,5 Jahren.
Das macht definitiv einen Unterschied. Es kommt auf das Alter des Kindes und die Zeitspanne der Trennung an.
Aber die meisten Kinder ab zehn Monaten blieben meist mindestens sechs Stunden.
Üblich war um die 7,5 Stunden bis 8,5 in meiner Einrichtung.
Was uns öfter überrascht hat, dass man auch Kinder mit Fieber, schwerer Erkältung und Durchfall gebracht hat.
Und offensichtlich ist das nicht erst plötzlich gerade eben im Kindergarten ausgebrochen. Das ist öfters passiert und das sollte absolut tabu sein. Das darf man nicht machen. Und nicht nur aus gesundheitlichen Gründen der Ansteckung, sondern auch aus Gründen der elterlichen Fürsorge.
Da sind sich alle Kolleginnen einig gewesen, diese Kinder gehören nach Hause und wurden auch wieder nach Hause geschickt.
Ein krankes Kind hat nichts in einer Einrichtung verloren. Es braucht Ruhe und Fürsorge für die Genesung in seiner Familie.
5. Haben Sie das Gefühl, es gibt von Elternseite aus ein Bewusstsein dafür, dass lange Betreuungszeiten für die Kleinen evtl. überfordernd sein könnten?
Eher weniger. Das hat mich all die Jahre erstaunt.
Wenige Eltern sind auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht nur halbtags arbeiten könnten oder das Kind ab und zu früher abholen, damit es mit der langen Trennung nicht überfordert ist.
Es gab das Bewusstsein, dass man sein Kind mal eher holt, einen schönen Nachmittag verbringt. Aber der Gedanke, dass die Kinder unter der langen Trennung leiden, das wurde in meiner Gegenwart nie zum Thema, nie ausgesprochen, vielleicht nur gedacht.
Ich glaube, es gehört viel Mut dazu zuzugeben, dass man einen Fehler macht.
Und welche Eltern gestehen sich schon ein, dass die Krippe ein Fehler ist.
Das würde eine eigene persönliche Schuldzuweisung bedeuten.
Das habe ich noch nie erlebt. Im Gegenteil, das Thema ist so heikel, dass, wenn ich heute darüber kritisch rede, sich alle enorm angegriffen fühlen und mit vielen Gründen um sich werfen, warum ich im Unrecht liege.
Meine „liebsten Sätze“, die ich höre sind:
„Mein Kind lernt soviel, seitdem es in der Krippe ist“,
„mein Kind liebt es, mit den anderen zu spielen“,
„mein Kind macht so viele Fortschritte dort.“ …
Ich höre Förderung, gute Entwicklung, Lernen, Weiterkommen, Leistung !!!
Das höre ich in diesen Sprüchen!
Traurig, dass unsere Kinder schon unbedingt viel leisten müssen.
Kapitel G)
Zukunftspläne der Politik
Die Politik betreibt momentan massive Anstrengungen, um den Kita-Ausbau weiter voranzutreiben. Auf dem Markt gibt es jetzt schon zu wenig ErzieherInnen.
Wie finden Sie dieses Vorhaben?
Mit dem Kita-Ausbau sind bestimmt auch Krippenplätze gemeint. Meist ist dies gar nicht mehr voneinander getrennt. Immer weniger Leitungen haben den Mut, nur Kinder ab drei Jahren aufzunehmen. Es ist ein wirtschaftliches Geschäft. Damit die Arbeitskräfte voll einsatzbereit sein können, muss es für alle einen Ort geben, wo sie ihre Kinder abgeben können.
Sagen wir so, ich habe heimlich gedacht: Zum Glück gibt es immer weniger Plätze, somit sind viele Familien gezwungen, eine andere Lösung zu finden und bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben. Vielleicht hilft es einigen Eltern, über ihre Kinder nachzudenken.
Also, kurz gesagt: Ich bin gegen einen weiteren Ausbau!
Die mangelnden Plätze sind vielleicht eine Chance für unsere Gesellschaft, umzudenken!
Kapitel H)
Wünsche für die Gesellschaft und die Kinder
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass wir in unserer modernen schnellen hektischen Gesellschaft einmal wieder ganz tief den Atem anhalten und uns auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben besinnen.
Oft erfährt man von den Schicksalen einiger Menschen, die danach ihr ganzes Leben verändert haben.
Die plötzlich Dinge wie Geld, Materielles, Arbeit und Karriere, Wachstum, Luxus nicht mehr für wichtig halten und die Prioritäten im Leben wieder richtig verteilen.
Brauchen wir alle erst mal wieder einen Schicksalsschlag, um uns zu besinnen?
Hoffentlich nicht.
Hoffentlich können wir unsere Gesellschaft wieder wachrütteln.
Wo stehen unsere Familien? Gibt es überhaupt noch Familien?
Sind wir beziehungsunfähig geworden?
Es scheint, als ginge es im Leben nicht mehr um uns Menschen, sondern um ein Funktionieren. Das Rad muss sich weiter drehen, es muss ja weitergehen.
Wo sind die Beziehungen geblieben, die Fürsorge zueinander, die Liebe und Zuwendung.
Wie können wir ein Vorbild einer gelingenden Beziehung sein, wenn wir unsere Kinder schon mit einem Jahr in eine Einrichtung abgeben?!
Ich würde mir augenscheinlich utopische Dinge wünschen.
Ich würde mir wünschen, dass die Krippen verboten werden und keine ErzieherIn mehr ein Kind unter drei Jahren betreut.
Ich wünsche mir, dass wir allen Familien und Müttern Mut machen, zu Hause zu bleiben und ihre Aufgabe als Mutter wieder zu entdecken und dass sie diese Mutter bewusst und voller Stolz sein darf.
Ich wünsche den Kindern, dass sie in eine Familie geboren werden, die sie liebt, so wie sie sind. Die sich um die Kinder sorgt. Eine Mutter, die da ist, wenn das Kind weint und ruft.
Liebe Erzieherinnen und Erzieher, denken wir um. Suchen wir sinnvolle pädagogische Berufe. Sorgen wir uns um die wirklich leidtragenden armen und einsamen Kinder. Die Waisen, Verwahrlosten, Missbrauchten. Geben wir unserem Beruf einen neuen Sinn. Bauen wir neue Projekte auf, in denen wir die ganze Familie einschließen. Ohne Mutter und Kind zu trennen.
Aus dem Buch:
Serge K. D. Sulz, Alfred Walter, Florian Sedlacek (Hrsg.)
„Schadet die Kinderkrippe meinem Kind? –
Worauf Eltern und Erzieherinnen achten und was sie tun können“
CIP-Medien, 2018, ISBN 978-3-86294-063-9
Anhang II (Seite 343)
Interview mit einer Erzieherin – Fragen und Antworten (von Andrea Tichy)