Kurzfassung des Aufrufs

Dieser Text verschafft einen kurzen Überblick über die Themen im Aufruf zur Wende in der Frühbetreuung von Kindern
der Arbeitsgruppe Frühbetreuung in der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten Deutschland e.V. (VAKJP)

Der massive Ausbau von Kitas verändert das Aufwachsen von vielen Kleinkindern in den ersten Lebensjahren. Dies hat körperliche, psychische und soziale Auswirkungen für die nachwachsende Generation. Deshalb fordert die Arbeitsgruppe rasche, wirksame und fachlich fundierte Veränderungen der derzeitigen Unterbringungssituation.

Die Situation der Kitas ist in einem alarmierenden Zustand. Lediglich ca. 3% der Kitas für unter 3-Jährige weisen einen guten bis sehr guten Qualitätsstandard auf. In weit über 90% der Kitas für unter 3-Jährige liegt die Fachkraft-Kind-Relation unter der wissenschaftlich geforderten Zielgröße von 1:3, sodass in vielen Fällen nicht einmal die Beaufsichtigung gewährleistet werden kann und Sicherheitsrisiken entstehen. 

Die Situation der Erzieher*innen ist von einem enormen Fachkräftemangel geprägt. Dieser entsteht durch die rasche Erweiterung der Krippenplätze, die geringe Bezahlung und anhaltenden Stress am Arbeitsplatz. Viele Erzieher*innen arbeiten an ihrer Belastungsgrenze. Hoher Krankenstand sowie häufiger Arbeitsplatzwechsel sind die Folge. Die gute Qualität der Krippen hängt aber hauptsächlich von einer verlässlichen, bedürfnisorientierten Begleitung der Kinder durch die Erzieher*innen ab. Sie brauchen Zeit und Raum, um die Kinder kennenzulernen und sich ihnen individuell zuwenden zu können.

Die Kinder brauchen eine sichere Bindung an erwachsene Bezugspersonen, um ein stabiles Selbstgefühl und emotionale Sicherheit entwickeln zu können. Entwicklung, Lernen und Bildung können nur mit emotionaler Regulationsfähigkeit und ohne Stress gelingen. Hierfür sind Entwicklungsschritte in den ersten 3, besonders aber den ersten 2 Lebensjahren notwendig, welche nur im Umgang mit einfühlsamen und vertrauten Bezugspersonen stattfinden können. Emotionale Bedürfnisse, die zu Fähigkeiten wie Empathiefähigkeit, Selbst- und Stressregulation führen, lassen sich in einem Gruppenkontext auch mit großem materiellen und personellen Einsatz kaum befriedigen. Der Fachkräftemangel verschärft dieses Problem. 


Durch zu frühe und zu lange Aufenthalte in einer Kita sind die unter-3-Jährigen anhaltendem frühkindlichen Stress ausgesetzt. Diese ungünstigen Grundlagen für Stressverarbeitung können Körper und Psyche nachhaltig beeinträchtigen. Die enorme Anpassungsfähigkeit von Säuglingen und Kleinkindern kann über innere Probleme vorerst hinwegtäuschen. 
Doch spätere Folgen können sein: Impulsives Verhalten und Aggressivität, motorische Unruhe mit Aufmerksamkeitsdefiziten, verminderte Konzentrationsfähigkeit, gesteigerte Ängstlichkeit, anhaltende Trennungsängste und depressives Rückzugsverhalten. Zu den Langzeitfolgen gehören z.B. eine erhöhte Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen, eine geringere Lebenszufriedenheit sowie eine Reihe körperlicher Erkrankungen.

Die Eltern stehen häufig unter Druck, ihr Kind nach Ablauf des Elterngeldes in außerfamiliäre Betreuung zu geben. Sie benötigen jedoch ausreichend Zeit für gemeinsame Erfahrungen mit dem Kind. Nur dann kann eine positive Bewältigung natürlich auftauchender Probleme zu Beginn der Elternschaft stattfinden. Es ist hierbei sinnvoll, Eltern-Kompetenzen zu fördern. Hierfür sollten bestehende Angebote erweitert und neue geschaffen werden.

Notwendige Konsequenzen

• Beginn der außerfamiliären Betreuung möglichst erst ab 24 Monaten für wenige Stunden am Tag. 


• Verlängerung des Elterngeldes oder eines Eltern-Grundgehalts auf mindestens 2 (besser 3) Jahre. (Man bedenke, dass ein Krippen-Platz derzeit ca.1300€ im Monat kostet – reine Betriebskosten)

• Mehr finanzielle und soziale Anreize für Väter, die Versorgung und Erziehung der Kinder mit zu verantworten im Sinne eines neuen Rollenverständnisses.

• Entwicklungspsychologische Begleitung und Beratung von Müttern/Vätern zur Stärkung ihrer Elternkompetenz von der Schwangerschaft an.

• Leichterer Zugang zu praktischen Hilfen, wie Haushaltshilfen für Notsituationen und erziehungsbegleitende Familienhilfen.

• Flexible Arbeitszeiten von Arbeitgeberseite, wie Erleichterung von Teilzeitarbeit für Eltern und Home-Office-Arbeitsplätze bei gleichzeitigem Karriereschutz.

• Rahmenbedingungen in Kitas, welche die Grundbedürfnisse der Kinder berücksichtigen. Bei unter 3- Jährigen bedeutet das z.B. möglichst keine Betreuerwechsel, Gruppengröße von 6, höchstens 8 Kindern und einer realen ErzieherInnen-Kind-Relation von höchstens 1:3.

• Verbesserte Arbeitsbedingungen für pädagogische Fachkräfte.

• Ausweitung der Studiengänge für Frühpädagogik (bzw. entsprechende Weiterbildungen) für Familien- und Elternbildung.

• Förderung weiterführender, fachübergreifender Forschungsprojekte über Auswirkungen der frühen Betreuung in Kitas.

Verfasserinnen: 
Agathe Israel und Gisela Geist, 
Sprecherinnen der Arbeitsgruppe Frühbetreuung in der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten Deutschland e.V. (VAKJP)