Ein Erfahrungsbericht einer Mutter, die ihr erstes Kind mit 2 Jahren in Krippenbetreuung gab und ihr zweites Kind mit 3 1/2 Jahren noch zu Hause betreut.
Ich habe meine erste Tochter damals, ohne groß nachzudenken, mit zwei Jahren für eine Krippenbetreuung angemeldet. Alle machten es ja schließlich so, ich hörte auch immer wieder, wie wichtig Kontakte zu Gleichaltrigen ab diesem Alter doch wären. In meinem Bekanntenkreis wurde mir signalisiert, dass ich ihr ansonsten evtl. etwas vorenthalten würde. Wir haben das also durchgezogen – mit schwer auszuhaltendem Trennungsschmerz meines Kindes und einem sehr schlechten Gewissen meinerseits, das mir aber von den Erzieherinnen mit dem Hinweis ausgeredet wurde „Das ist ganz normal am Anfang.“ Somit war ich verunsichert, machte aber mit – schließlich waren die Erzieherinnen ja Expertinnen – obwohl mein eigenes Bauchgefühl etwas anderes sagte.
Diese frühen schmerzhaften Trennungserfahrungen zeigen sich bis heute ( sie ist jetzt 5 1/2 Jahre alt) im Verhalten meiner Tochter, obwohl sie inzwischen im Großen und Ganzen ein glückliches Kind ist und ich durch mein neues Bewusstsein natürlich einiges auffangen kann. Ganz anders mein jüngeres Kind (jetzt 3 1/2 Jahre alt), das bis zu seinem vollendeten 4. Lebensjahr noch bei mir zu Hause sein wird. Ich stelle an ihr fest, dass sie insgesamt stabiler und selbstbewusster ist und in vielen Dingen viel weniger ängstlich.
Da ich den direkten Vergleich habe durch meine beiden Kinder, würde ich sagen, dass man einiges im Verhalten auf die frühen Verlusterfahrungen meiner schon mit zwei Jahren fremdbetreuten Tochter und evtl. die Überforderung durch die Gruppensituation in einem zu frühen Alter zurückführen kann.
Ich bemerke an einigen Müttern in meinem Umfeld, die eigentlich eine liebevolle, enge Bindung zu ihren Kindern haben, dass sie sich – ähnlich wie ich damals – erstmal vom Mainstream leiten lassen. Alle machen es ja so, da kann es nicht verkehrt sein. Zudem – und das habe ich selbst auch schon schmerzhaft zu spüren bekommen – wird man tatsächlich inzwischen ausgegrenzt, wenn man seine Kinder länger selbst betreut. Man wird misstrauisch beäugt und muss sich mit Sprüchen auseinandersetzen, wie „Ist das nicht furchtbar langweilig den ganzen Tag mit den Kindern zu Hause?“ oder die ständigen Nachfragen: „Wann willst Du denn endlich wieder arbeiten gehen?“ Der gesellschaftliche Druck auf Frauen, die es anders machen wollen, ist enorm und man braucht ein sehr dickes Fell, um das auszuhalten – oder eben die feste innere Überzeugung, dass das so absolut richtig und für die Kinder das Beste ist!
Aber dazu benötigt man ganz viel Informationen und Aufklärung über Entwicklungspsychologie, Hirnforschung, Bindungsforschung u.ä. Dadurch kann man die Bestätigung bekommen, dass das eigene Bauchgefühl richtig ist. Mir persönlich hat das extrem geholfen und somit prallen dann auch die Anfeindungen oder das Misstrauen meines Umfelds mehr und mehr an mir ab.
Ich bin inzwischen sehr dankbar dafür, dass ich so viel Zeit mit meinen Kindern verbringen darf. Dass ich sie erleben, richtig kennenlernen und interpretieren kann. Dass ich mit ihnen wachsen darf. Dass ich durch sie auch die Welt aus Kinderaugen sehen kann – was manchmal einen unendlichen Reichtum in unserer schnelllebigen, durch-rationalisierten Erwachsenen-Welt bedeutet. Auch dass ich momentan noch nicht in der V-Zange (Vereinbarkeits-Zange, siehe Renz-Polster) stecke, empfinde ich inzwischen als wohltuend und „nerven-schonend“. Denn ich habe das selbst oft in meinem Bekanntenkreis beobachten können: Bis das Kind ein oder zwei Jahre alt war, hatten die Mütter zu ihren Kindern eigentlich oft eine gute, enge Bindung, sie hatten Zeit und Muße, sich intensiv mit ihren Kindern zu beschäftigen. Dann kam das Kind in die Krippe (oft auch gleich sehr lange am Tag) und die Mutter ging wieder arbeiten. Man kann es förmlich beobachten, wie dann auf einmal der Stress Einzug hält in der Beziehung zueinander. Die durchgetakteten Tage, von der Arbeit gestresste Mütter, von den langen Krippen-Tagen gestresste und überreizte Kinder… mit allen negativen Begleiterscheinungen, die das hat. Und auf der anderen Seite mangelt es auf einmal an Empathie, Geduld und Ruhe, um auf das Kind einzugehen. Es ist ein Teufelskreis.
Deshalb schätze ich meine momentane Situation einerseits sehr. Andererseits gäbe es schon auch Verbesserungen, die ich mir wünschen würde. Denn ja, ich habe auch studiert, habe viel in meine berufliche Entwicklung investiert und habe meinen Job gerne gemacht. Und manchmal hätte ich gerne mehr geistigen Ausgleich. Aber dann denke ich mir, wie schnell doch so ein paar Jahre, in denen die Kinder noch klein sind und mich brauchen, vorbei sind. Und dass ich danach noch mein ganzes Leben lang arbeiten kann.
Vor allem hätte ich gerne ein sehr viel größeres Mütter- oder Väter- Netzwerk von Eltern, die ebenfalls noch mit ihren Kindern zu Hause sind. Mit denen man sich austauschen und treffen kann, die vielleicht auch mal für eine kurzzeitige Betreuung der Kinder einspringen können. Das alles fehlt mir schon. Deshalb würde ich mir wünschen, dass vor allem mehr Väter sich in den ersten Jahren Zeit für ihre Kinder nehmen würden/könnten, so dass man sich Familienarbeit und Erwerbsarbeit gerechter aufteilen könnte. Das wäre für mich echte Vereinbarkeit und Emanzipation, die nicht zu Lasten der Kinder gehen müsste.